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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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dastand. Instinktiv hielt sie den weiten Halsausschnitt zu. Das Täfelchen klapperte zu Boden. Die Frage, wie Meffridus hereingekommen war und was er hier zu suchen hatte, ertrank in der Welle aus Scham, die sie überflutete, als sie sich erinnerte, wie ihr das Hemd beim Ausziehen bis zu den Brüsten hochgerutscht war.
    »Gib es ihm ruhig«, schnurrte Meffridus’ leise Stimme. »Es ist nur eine Abschrift. Das Original verwahre ich bei mir zu Hause.«
    Rudegers Schultern sanken herab. Meffridus löste sich aus dem Schatten hinter der Tür und spazierte gelassen um ihn herum. Er lächelte Constantia an, bückte sich nach dem Wachstäfelchen und steckte es achtlos hinter den Gürtel, der sich um seinen Bauch spannte. Dann nahm er die Bettdecke und legte sie mit Schwung um Constantias Schultern. Er lächelte erneut – wie ein nachsichtiger Vater, der einer seiner Töchter den Mantel umgelegt hat, damit sie schicklicher aussieht. Dann stellte er sich neben sie und warf Rudeger einen aufmunternden Blick zu. Es wirkte, als wären er und Constantia Verbündete gegen Rudeger. Constantia wollte von Meffridus abrücken, doch sie war wie erstarrt.
    »Das ist eine Art Schuldschein, nicht wahr?«, fragte sie schließlich. »Du hast unser Haus verpfändet und kannst jetzt das Geld nicht zurückzahlen, weil die Nuorenbercer Gerber dich über den Tisch gezogen haben.«
    Meffridus schüttelte den Kopf. »Was sollte ich mit noch einem Haus hier in der Stadt?«, fragte er. »Davon habe ich mich schon längst verabschiedet. Nein, als Pfand nehme ich nur noch … hm … Handelsware an.«
    Rudegers Brustkorb hob und senkte sich. Seine Blicke suchten die Constantias, doch was er darin sah, ließ ihn die Augen senken.
    »Was hast du verpfändet?«, fragte Constantia. Langsam kroch Angst in ihr hoch, und es war nicht die altbekannte Beklommenheit in Gegenwart des Notars, sondern eine Angst, die so tief war wie ein Brunnen, die Angst um ihr Leben.
    »Ich hoffe, du bist pfleglich mit deinem Weib umgegangen?«, fragte Meffridus.
    Rudeger antwortete mit einem Blick, der vor hilflosem Hass und vor Scham brannte.
    »Was soll das heißen?«, fragte Constantia. »Rudeger, was hast du verpfändet!?«
    »Ich warte schon viel zu lange auf die Rückzahlung deiner Schulden«, sagte Meffridus. »Wenn ich jetzt weiter warten muss, weil du sie wundgefickt oder aufgerissen hast, dann verliere ich noch mehr Geld.«
    Constantias Blicke huschten von Rudeger zu Meffridus und zurück. Die Angst war ein schwarzer Schlund, und sie hielt sich krampfhaft an seinem Rand fest. Der Rand begann unter ihren Fingern zu zerbröckeln.
    »Rudeger …«, gurgelte sie.
    Meffridus zuckte mit den Schultern und schaffte es, eine Miene zu ziehen, die auszudrücken schien, dass er selbst nicht glauben konnte, wozu Constantias Ehemann fähig war, und dass es ihm irgendwie unangenehm war, das Thema zur Sprache bringen zu müssen. Seine Sprache strafte sein Gesicht Lügen; sie war knapp und präzise, und die Worte trafen Constantia wie Schläge, zerkrümelten den Halt ihrer Finger und stießen sie in den Schlund. Sie fiel. Meffridus’ Worte hallten in den lichtlosen Schacht hinein, der sie verschlang.
    »Dein Mann und ich haben vereinbart, dass du, wenn er den Kredit nicht bis zum Tag des Johannisfeuers zurückgezahlt hat, in ein mir bekanntes Bordell in Nuorenberc gehst und dort das Geld abarbeitest, das er mir schuldet. Da du frisch bist, wird der Hurenwirt dich in den ersten Jahren teurer verkaufen können; das eingerechnet, beträgt die Zeit, die du brauchst, um Rudegers Schulden wieder einzubringen, vier Jahre. Ausfälle wegen Krankheit müssen natürlich addiert werden, aber du bist jung und wirst dich schnell erholen. Der Hurenwirt beschäftigt einen erstklassigen Bader. Versuch, nicht schwanger zu werden, weil du die Kosten für die Engelmacherin selbst tragen musst.«
    Constantia fand, dass sie immer noch in ihrer Schlafkammer stand. Es war nur ihre Seele, die von dem schwarzen Schlund verschluckt worden war. Sie spürte, wie ihre Lippen versuchten, Worte zu formen. Meffridus’ Gesicht schwebte vor ihr, als sähe sie es durch eine besonders schlecht geblasene Glasscheibe; es flackerte und waberte und zog Grimassen.
    »Ich lasse dich morgen abholen«, hörte sie den Notar sagen. »Gute Nacht.«
    »Hör zu, Meffridus«, stotterte Rudeger. »Wir können doch über das Ganze reden. Bitte. Gib mir nur noch einen oder zwei Tage. Johannes hat zugesichert, mir Geld zu leihen.

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