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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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war in den letzten Minuten zerbrochen. Sie hatte es förmlich gehört. Sie hatte es gefühlt . Ekel und Furcht hatten sie über eine Grenze getrieben, und jenseits dieser Grenze lag eine Welt, in der Wölfe durch die Gassen strichen und Kinder ihre Eltern erschlugen. Es war die Welt von Menschen wie Meffridus Chastelose, und sie war jetzt ein Teil davon. Jenseits der Grenze gab es eine Möglichkeit, ganz kalt nachzudenken, weil das Grausen und die Angst so allumfassend waren, dass man sie missachten konnte – weil es nichts anderes gab als sie. Jenseits dieser Grenze lag die Fähigkeit, Menschen in die Augen zu sehen und ihre Schwächen erkennen zu können; zu wissen, wo man den Hebel ansetzen musste, nur weil man ihren Worten ganz genau gelauscht und alles ausgeblendet hatte, was die hungrige, zornige, geile Kreatur, die im hintersten Winkel jedes Herzens saß, gesagt hatte, um ihre wahre Natur zu verbergen.
    Sie fühlte sich schwindlig. Sie wusste, dass sie nun die letzte Illusion verlieren würde, wer sie war oder wer sie hatte werden wollen.
    Mit einer Bewegung zog sie sich das Hemd über den Kopf. Rudeger und Meffridus starrten sie an. Sie breitete die Arme aus. Sie hatte das Gefühl, ihre Nacktheit in Meffridus’ Augen gespiegelt zu sehen und nichts anderes.
    »Du willst doch nicht dafür bezahlen, wenn du es gratis haben kannst, Meffridus«, hörte sie sich sagen. »Und nicht nur gratis, sondern du kannst auch das Geld zurückbekommen, das Rudeger dir schuldet. Hast du gewusst, Meffridus, dass nur ein paar Meilen entfernt, in Ebra, die Zisterzienser ein Kloster bauen? Der Bau geht langsam voran, weil es schwer ist, Arbeitskräfte in diesen Winkel des Reichs zu locken, obwohl die Mönche Geld haben. Sie kaufen Bauernsöhne und Knechte aus ihren Höfen heraus und setzen sie für eine Saison als Hilfsarbeiter ein, und sie zahlen nicht schlecht, habe ich gehört.«
    Meffridus legte den Kopf schief. Nur am Zucken seiner Mundwinkel konnte man erkennen, dass Constantias hüllenlose Schönheit ihn nicht unberührt ließ. »Worauf willst du hinaus, Constantia?«
    »Das Leben als Hübschlerin ist hart«, sagte sie, überrascht, wie ruhig ihre Stimme klang. »Wie du bereits gesagt hast – Krankheiten lauern, und die Engelmacherinnen senden oft zwei Seelen statt einer in die Hölle, wenn sie sich an die Arbeit begeben. Wer weiß, ob ich deine Außenstände jemals hereinarbeiten kann. Aber Rudeger hier hat Kraft und Ausdauer. Ich schätze, die Mönche werden dir für ihn mindestens so viel geben, wie dein Hurenwirt in Nuorenberc für mich zahlen wollte.«
    »Was?«, schnappte Rudeger.
    Meffridus lächelte.
    Constantia drehte eine Handfläche nach oben. »Du bekommst dein Geld«, sie drehte die zweite Handfläche nach oben, »und du bekommst es sofort.« Dann strich sie mit beiden Händen langsam über ihren Körper. »Und das hier bekommst du dazu.«
    »Constantia, bist du wahnsinnig geworden?«, ächzte Rudeger.
    Constantia fühlte, wie sich ihr Gesicht zu einem Lächeln verzog. Die Wirkung auf Meffridus war verheerend; er begann zu blinzeln und schluckte einmal krampfhaft. Es war nur ein Augenblick, in dem er die Kontrolle verlor, doch dieser Augenblick sagte Constantia, dass sie den Hebel gefunden hatte, den man bei Meffridus Chastelose ansetzen konnte. Es war ganz einfach. Er begehrte sie über alle Maßen.
    Mit immer größer werdender innerer Kälte fragte Constantia sich, welche Kreatur aus ihrem Herzen hervorgekrochen war. In Wahrheit wusste sie es genau. Sie war ihr schon einmal begegnet, damals, nachdem sie für ihre Arglosigkeit, die Werkstatt ihres Nachbarn ganz allein aufzusuchen, bezahlt hatte … Was sie nun tat, würde sie ebenfalls nicht beichten können, jedenfalls nicht vor Gott.
    »Wie lässt sich verhindern, dass Rudeger von der Baustelle flieht?«, fragte Meffridus.
    »Du musst dem Baumeister nur sagen, dass er ein Vetter von dir ist, der ein Verbrechen begangen hat und den du vor der Strafe zu schützen versuchst. Sag ihnen, dass er seine Schuld nicht einsieht und dass er ihnen alle möglichen Lügen erzählen wird, zum Beispiel, dass du und seine Ehefrau ihn hereingelegt haben. Sag ihnen, dass sie ihn auspeitschen sollen, wenn er sich nicht fügt. Sag ihnen, sie sollen ihn über Nacht anketten. Die Mönche sind verzweifelt auf der Suche nach Arbeitern; sie werden drauf eingehen.«
    »Ihr seid beide wahnsinnig geworden!«, schrie Rudeger.
    »Einverstanden«, sagte Meffridus heiser.
    Rudeger

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