Die Pforten der Ewigkeit
an Hugo von Teufen war die Freundschaft Federicos seinerzeit wichtig gewesen für Rudolf. Gertrud war zu diesem Zeitpunkt bereits zwanzig Jahre alt gewesen, nicht mehr im besten Heiratsalter, von schlichter Gestalt und von der Überzeugung durchdrungen, dass das Leben einer Frau dem Leid und dem Dienen vorbehalten war, entweder als Braut Christi oder als Ehefrau, wobei der Unterschied marginal und hauptsächlich darin begründet war, dass man als Braut Christi die Besuche des Bräutigams nur symbolisch empfing. Gertrud hatte sich Rudolf ein paar Mal hingegeben, ganz im Geiste ihrer Lebensphilosophie, die einen Widerspruch ausschloss, wenn der bestimmende Mann in ihrem Leben einen Wunsch äußerte. Es war langweilig gewesen. Sie hatte alles getan, was er verlangt hatte, mit einer freundlichen Miene und ohne erkennen zu lassen, was sie erregte und was sie anekelte (und er hatte, zunehmend ungläubig angesichts solcher Duldsamkeit, wirklich angefangen zu experimentieren).
Rudolf wünschte dennoch, sie wäre jetzt hier gewesen.
Nein, er wünschte es nicht. Er wünschte in Wahrheit, an ihrer Stelle wäre die Frau hier gewesen, von der ein winziger Teil seines Herzens hoffte, sie wäre es, die auf ihn wartete. Von Gertrud wusste er, dass sie wartete. Von jener Frau jedoch …
Es hatte nur einen einzigen Kuss gegeben zwischen ihnen, an einem Tag, an dem er sicher gewesen war, im Kampf sterben zu müssen, um diejenigen zu verteidigen, die er jahrelang vorher offen bekämpft hatte und die er im Geheimen immer noch jagte. Er hatte sich beinahe amüsiert gefragt, auf welch seltsame Wege einen ein politisch motivierter Treueschwur bringen konnte, dass man auf die Seite derer wechseln musste, die man aus tiefstem Grund verabscheute; und weniger amüsiert, ob sein zu erwartender Tod gegen eine fünfzigfache Übermacht die Strafe Gottes dafür war, dass er sich zu einem exkommunizierten Kaiser und seinen Ketzerfreunden geschlagen hatte. Dann, als sich herausgestellt hatte, dass es keinen Kampf geben würde, dass seine Anwesenheit und sein Mut allein genügt hatten, um die Angreifer in die Flucht zu schlagen, war seine Stimmung umgeschlagen. Er war es gewöhnt gewesen, Erfolge in seinem Leben zu erringen und Gegnern wie Verbündeten Respekt abzunötigen. Das Ereignis in der Kirche in Colnaburg hatte ihm gezeigt, dass er sogar imstande war, die Hochachtung Gottes zu erzwingen.
Der Rausch dieses Gefühls hatte ihn überwältigt. Er war gesegnet; er konnte nichts Falsches tun. Er hatte die schöne junge Klosterschwester angestarrt, die als Einzige von den Kuttenträgern in vorderster Front stehen geblieben war. Dann hatte er sie zu sich herangezogen und hatte sie geküsst. Was ein Ventil seines Triumphs hätte sein sollen, hatte jedoch einen süßen Stachel in sein Herz gesenkt, als sie ihn mit Leidenschaft zurückgeküsst hatte. Er hatte von diesem einen Kuss eine Erektion bekommen, die ihm nicht einmal die ausgefallensten Spielchen mit seiner Verlobten beschert hatten. In der ersten Aufwallung hätte er sich beinahe an Ort und Stelle mit ihr gepaart; in der zweiten Aufwallung musste er sich in die Zunge beißen, um ihr keinen Heiratsantrag zu machen. Wahrscheinlich war es nur der angewiderten Überraschung im Gesicht von Sariz de Fois zu verdanken gewesen, die ihn natürlich als den geschworenen Feind aller Bonhommes und vor allem ihrer Familie erkannt hatte, dass er sich zurückgehalten hatte.
Und in Situationen wie der heutigen verfluchte er sich dafür, jener Gefühlsaufwallung nicht nachgegeben zu haben. Wer mochte wissen, was aus der jungen Schwester geworden war? Er, Rudolf von Habisburch, der so lange einen sicheren Instinkt dafür gehabt hatte, wann er zugreifen musste, hatte sich die Frau durch die Lappen gehen lassen, die als Einzige die kleine Stelle in seinem Herzen hatte berühren können, an der der Mensch Rudolf sich gegen den Grafen Rudolf hatte behaupten können. Überrascht fragte er sich, ob damit die Kette von Fehlschlägen begonnen hatte, an deren Ende er jetzt hier stand, Parteigänger eines übergewichtigen Jünglings, mit Zweifeln in der Seele und von unbändigem Zorn erfüllt, dass er nicht die Mission ausüben konnte, der er sein Leben gewidmet hatte: die Ketzer zu vernichten und eines Tages das Reich zu führen.
Aus dem Augenwinkel sah er einen Mann im schwarzweißen Mönchshabit der Dominikaner auf sich zukommen. Frater Pietro versuchte seit vielen Tagen vergeblich, bei Konrad vorgelassen zu werden.
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