Die Pforten der Ewigkeit
und seine Hände von ihm hatte umfassen lassen, um den Vasalleneid zu leisten. Viel hatte nicht gefehlt, und er hätte die Ablegung des Eids unterbrochen, wäre aufgesprungen und hinausgestürmt. Und nun saß er hier fest, in dieser Stadt vergangener Glorie und verschütteten Glanzes, in der die Wunden des Erdbebens immer noch an vielen Ecken zu erkennen waren, und hörte zu, wie Konrad sich vom Herrn der Stadt, signore Ezzelino da Romano, preisen ließ, der quasi ein Schwager des Königs war, weil er eine seiner Halbschwestern geheiratet hatte. Rudolf hasste Ezzelino ebenso wie den jungen König, nicht zuletzt deswegen, weil er in ihm eine verwandte Seele erkannte – ehrgeizig und vom Ziel beseelt, an die Spitze zu gelangen, und absolut rücksichtslos gegen jeden, der sich ihm dabei in den Weg stellte. Die Familien in Welschenbern, die es mit der Welfenpartei gehalten hatten, hatte er ebenso erbarmungslos dezimiert, wie Rudolf Jagd auf die Albigenser gemacht hatte. Anders als Rudolf allerdings hatte sich Ezzelino mit den Ländereien zwischen Trient und Padua zufriedengegeben, die er an sich gebracht und schon zu Zeiten Kaiser Federicos unbelästigt von den Einflussnahmen seines Souveräns regiert hatte wie ein Kleinkönig. Rudolf würde sich niemals mit dem Platz unterhalb eines weltlichen Herrschers bescheiden, niemals.
Aber vielleicht hatte Ezzelino einst ebenso wie Rudolf gedacht und hatte dann vor den Realitäten der Politik resigniert? Deshalb hasste Rudolf ihn – weil er fürchtete, in ihm zu sehen, was auch aus ihm werden konnte. Er hatte seit dem Tod des Kaisers nur Fehlschläge eingefahren. War er schon an der Position angekommen, die er jemals erreichen würde? Am liebsten hätte er ihnen die Köpfe zusammengeschlagen, wenn sie miteinander flüsterten und dann laut lachten, dem jungen Dickwanst mit dem Goldreif im Haar und dem alten, knorrigen Schlagetot. Sie speisten und jagten zusammen, als wäre Konrads Italienzug bereits von Erfolg gekrönt und die Reichtümer Siziliens in der Truhe des Königs. Und von Gabriel gab es auch noch keine Erfolgsmeldung …
Hier in Welschenbern, mit nichts zu tun, außer so wie alle anderen Herren zu demonstrieren, dass König Konrad in Deutschland mächtige Freunde besaß, hatten sich Rudolfs Gedanken zeitweise auf kaum betretenes Terrain begeben. Es ging um dynastische Fragen, oder genauer gesagt darum, dass er sich langsam nach einer Frau umsehen sollte. Nicht zuletzt hatte ihn der in Person Ezzelinos manifeste Beweis, dass zu einer erfolgreichen Politik auch die Verheiratung nützlicher Verbündeter mit etwaigen eigenen Töchtern gehörte, dazu inspiriert; aber vor allem die Tatsache, dass Rudolf in seiner Tatenlosigkeit und ständig umgeben von Männern, die er verabscheute, Einsamkeit zu fühlen begann. Es war eine Einsamkeit, die ihn wie eine Wolke aus schlechtem Geruch umgab und sich allen mitteilte. Die Huren, die mit gelben und roten Bändern um die Ruine der Arena strichen und in den Kammern und Hohlräumen des Gebäudes ihr Geschäft betrieben, mieden ihn; selbst die schlechten Weiber, die mit Konrads Heerzug gekommen waren und im Lager vor der Stadt arbeiteten, brauchten verdächtig lange, bis sie der Aufforderung seines Knappen folgten, in sein Zelt zu kommen, und es waren immer nur die ältesten und hässlichsten, die kamen. Rudolf nahm an, dass die Missbilligung seines Knappen nicht ganz unschuldig daran war; doch selbst wenn er durch den Teil des Lagers stapfte, der dem Tross vorbehalten war, fanden sich alle Huren wundersamerweise plötzlich auf den Schößen oder zu Füßen der Männer wieder, mit denen sie eben noch erbittert gefeilscht hatten, und flüsterten den erstaunten Siegern der Verhandlungen Zärtlichkeiten ins Ohr, als seien sie ihnen schon seit jeher treu ergeben.
Rudolf dachte an die Frau, von der er sich einredete, sie warte seit über fünf Jahren zu Hause, jenseits der Alpen, auf ihn. 1245, im Jahr nach dem Fall der Ketzerfestung Montsegur, hatte er sich mit Gertrud von Hochenberc verlobt, der Tochter des mächtigen Grafen Burkard; zum einen, um sich einen guten Platz in der Erbfolge ihrer Familie zu sichern, die über reichen Besitz nördlich und östlich seiner eigenen Ländereien verfügte, zum anderen, weil er dadurch seinen neu eingegangenen Bund mit Kaiser Federico stärkte. Die Hochenbercer waren über ihren Urstamm, die Grafen von Zolorin, seit den Zeiten Kaiser Barbarossas mit den Staufern verbündet, und wegen des Mordes
Weitere Kostenlose Bücher