Die Pforten der Ewigkeit
Constantia.
Und weil sie ahnte, dass Elsbeth genau das in den nächsten Momenten fragen würde, wies sie auf die Rinne und sagte laut: »Das war ein Geniestreich von Meister Wilbrand, oder nicht?«
In Wahrheit wäre Wilbrand ohne den kleinen Franzosen – Godefroy – nicht auf die Idee gekommen, doch Godefroy hielt sich ebenso auffällig im Hintergrund wie seine beiden Freunde. Seit Meffridus mit ihr über Rogers gesprochen hatte, hatte sie die drei Männer sehr aufmerksam beobachtet. Anfangs hatte sie gedacht, die Zurückhaltung käme davon, dass Rogers und Elsbeth ein Liebespaar waren und alles vermieden, dass es öffentlich wurde, aber sie war sicher, es hatte noch einen anderen Grund. Der wiederum Anlass war, wie Meffridus ihr so betont beiläufig gesagt hatte, sich ein wenig mit Elsbeth anzufreunden. Constantia hatte verstanden; was sie hingegen nicht verstand, war, dass Meffridus mit den Informationen, die sie ihm brachte, scheinbar nichts anfing. Es sei denn, er hatte einen weiteren Plan, und es nützte ihm mehr, sein Wissen über Rogers für sich zu behalten, als es zu teilen.
Mit wem zu teilen? Wohin führten Meffridus’ wiederkehrende kurze Reisen? Oder besser gefragt – zu wem?
Wilbrands Geniestreich war die Rinne gewesen. Eigentlich war sie mehr eine Art Kanal, in den Damm gehauen, der den See unterhalb des Steinbruchs in seinem Becken hielt, und dann in den Hang gegraben, bis er sich mit der Ableitung von der Swartza in den Fischteich traf. Der Kanal hatte mehrere Tage lang Wasser aus dem See auf kontrollierte Art abfließen lassen, bis dort, wo zuerst der Wasserspiegel gewesen war, ein breites Sims aus dem See auftauchte. Es war das Sims, das Godefroy entdeckt hatte; tatsächlich führte es in zwei unterschiedlich hohen Stufen die ganze Flanke des Steinbruchs entlang. Auf ihm konnten, nachdem es nicht mehr vom Wasser überspült wurde, die Steinbrecher ihrer Arbeit nachgehen. Der Fischteich war über sein Becken getreten, bevor er das zusätzliche Wasser in den Stadtgraben hatte abgeben können, aber es waren nur die Wiesen an seinem anderen Ufer überschwemmt worden, und da der neue Frischwasserzufluss es ermöglichte, Forellen im Teich auszusetzen, hatte sich niemand beschwert. Die Zisterzienser hingegen hatten mit den Zähnen geknirscht, als sie gesehen hatten, wie einfach die Lösung gewesen war. Aber sie hielten sich an die Abmachung, weil es einfacher war, als einen neuen Betrug zu versuchen. Außerdem hielten sie sich betont von Constantia fern. Obwohl sie auf die Mönche herabsah, war deren Verachtung für sie doch ein weiterer tiefer Schnitt in ihrer wunden Seele.
»Ich bin überrascht, wie schnell es geht, die ersten Mauern zu ziehen«, sagte Constantia.
Elsbeth blickte zur Baustelle hinunter. »Ja, nicht wahr? Meister Wilbrand meint, spätestens zu Pfingsten könnten wir den Kreuzgang eindecken. Die Steinmetze haben die Kapitelle der Säulen bereits fertig. Weil wir ihnen eine Hütte auf der Wiese gebaut haben, konnten sie fast den gesamten Winter über arbeiten. Ich hoffe …«
»Was hoffst du?«
Elsbeth räusperte sich. »Der Kreuzgang ist das Allerheiligste des Klosters und nur den Schwestern vorbehalten, bis auf wenige Tage im Jahr. Einer davon ist Gründonnerstag, wenn wir den Armen und den Sündenbeladenen die Füße waschen, so wie Jesus Christus es getan hat.«
»Du möchtest das heuer tun?«
»Ja. Nirgendwo steht, dass dazu schon ein Dach über dem Kreuzgang sein muss. Es geht um das Symbol, nicht darum, dass man auf keinen Fall nassgeregnet wird.«
Constantia musterte die Schwester. Sie kannte inzwischen ihre Begeisterungsfähigkeit und fragte sich, warum sie wegen der Aussicht, das mandatum schon in diesem Jahr durchführen zu können, nervös war.
Elsbeth räusperte sich erneut. »Wir … wir haben das Recht, Gäste zum mandatum … nun, ja, einzuladen. Ich dachte mir … ich dachte mir, wenn ich … dich … einlade und dir selbst die Füße wasche, dass dann …«
»Vergiss es«, sagte Constantia grober, als sie gedacht hatte. Elsbeths Idee überraschte sie und erfüllte sie mit Wut.
»Aber es könnte deine Stellung in der Stadt … es tut mir weh, zu sehen, wie dein Vater dich schneidet und wie die sogenannten ehrbaren Bürger einen Bogen um dich machen … und auch deine Mutter … sie hat um Aufnahme als Konversin gebeten, und ich wollte sie am Gründonnerstag offiziell aufnehmen, und dann könnten du und sie …«
»Wir reden nie wieder
Weitere Kostenlose Bücher