Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
hören können, was dieser dazu gesagt hatte. Sie wäre so stolz auf sie! Der Gedanke daran, wie lange sie ihre große Schwester nicht gesehen hatte, ließ einen Kloß in ihrem Hals entstehen. Unwillkürlich sah sie sich um, ob sie Rogers irgendwo erblickte, und schalt sich dann selbst. Es hatte sich schon beinahe zur Gewohnheit entwickelt, dass sie ihn sich an ihre Seite wünschte, wenn sie Freude oder Trauer empfand. Er würde sie verlassen, er durfte nicht zu ihrer Stütze werden, sagte sie sich dann jedes Mal, und gleich darauf, dass genau dies ja der Grund war, warum sie sich so sehr nach ihm sehnte, obwohl sie beinahe jede Nacht zusammen waren: weil die Zeit ihrer Gemeinsamkeit endlich war. Dass er und seine Freunde Wizinsten nicht schon längst verlassen hatten, lag nur daran, dass es ihm nicht anders erging als ihr.
    »Wie lange werdet Ihr bleiben, Reb Daniel?«
    »Morgen geht es weiter. Eigentlich bin ich auf dem Weg nach Norden. Ich habe nur einen Abstecher hierher gemacht, um Euch zu sehen.«
    »Ich fühle mich geehrt.«
    Daniel bin Daniel blieb plötzlich stehen. Er sah sich um. Sie waren den halben Hügel hinuntergekommen. »Ich wollte es oben nicht sagen, weil ich nicht riskieren wollte, dass die Männer am Kran vielleicht ein paar Worte aufschnappen«, erklärte er. Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden.
    »Was?«, fragte Elsbeth. Ihre Stimmung aus Stolz, Freude und Wehmut verschwand und machte Argwohn Platz. Ihr wurde kalt, als sie sich fragte, ob sich etwa die Liebe zwischen ihr und Rogers herumgesprochen hatte. Sie war sicher, dass die Menschen, die täglich mit ihnen Umgang hatten – Walter, Godefroy, Wilbrand, alle Nonnen und natürlich Constantia, ihre Freundin – etwas ahnten, aber ihretwegen machte sie sich keine Sorgen. Wenn jedoch Daniel bin Daniel Wind davon bekommen hatte, dann hieß das, dass man bereits in Papinberc darüber redete … Sie schluckte und fühlte, wie ihr Herz zu hämmern begann.
    »Ich habe der jungen Schwester im Klostergarten gelauscht. Schwester Hedwig.«
    Elsbeth blinzelte verwirrt. Es kostete sie Mühe, der unerwarteten Wende zu folgen. »Was ist mit ihr?«
    »Ihr wisst doch so gut wie ich, dass das, was sie sagt, reines ketzerisches Gedankengut ist. Es ist die Lehre von Albi, von einem Kind ausgesprochen und von jeglicher Doktrin befreit, aber es ist Ketzertum.«
    Elsbeths Mund arbeitete. »Natürlich weiß ich das. Hedwigs Eltern sind zum Glauben von Albi übergetreten, während Hedwig schon im Kloster war. Ich denke, dass schon vor Hedwigs Konversion in ihrem Haus der eine oder andere ketzerische Gedanke ausgesprochen wurde. Was glaubt Ihr, warum ich sie hierhergebracht habe, wo der Arm von Bischof Heinrich nicht hinreicht?«
    Daniel bin Daniel machte ein ernstes Gesicht.
    »Reb Daniel, was habt Ihr gehört? Redet man in Papinberc von … von Hedwig? Heiliger Theodor, im Geiste ist sie doch immer noch ein Kind! Ich wusste es, ich hätte nie zulassen dürfen, dass diese Frauen sich um sie sammeln und …«
    »Diese Frauen«, sagte der Jude, »glauben, dass Gott oder die Engel durch Schwester Hedwig sprechen. Sie sind verängstigt, weil das Reich führerlos ist, weil sie glauben, der Jüngste Tag steht bevor, oder ganz einfach deshalb, weil in einer so kleinen Stadt wie dieser das Gemeinschaftsleben irgendwann einmal in eine Situation umschlägt, in der jeder jeden verdächtigt. Man braucht nicht lange hier zu sein, um zu spüren, dass ein Schatten auf dieser Stadt liegt. Schwester Hedwigs … Visionen … lassen ihre Zuhörerinnen ahnen, dass Gott sie und die ganze Welt nicht vergessen hat.«
    »Aber …«
    »Ich habe nicht gehört, dass irgendjemand von ihr spräche«, sagte Daniel bin Daniel. »Und wenn ein Mann wie ich nichts gehört hat, gibt es auch keine Reden darüber. Nein, es ist nur …«, er zögerte.
    »Was denn?«
    Er seufzte. »Bitte behaltet das um alles in der Welt für Euch«, sagte er. »Die Kunde ist noch gar nicht offiziell nördlich der Alpen angekommen. Vor wenigen Tagen ist auf der Straße von Chum nach Milan der im letzten Jahr ernannte Großinquisitor für Norditalien ermordet worden. Es war Dominikaner, Prior von Asti und ein bekannter und beliebter Redner. Sein Name war Pietro; er stammte aus Welschenbern. Nach seinem Mörder wird noch gesucht, aber jeder ist überzeugt, dass die Tat entweder von italienischen Ketzern begangen wurde oder sie einen Meuchelmörder gedungen haben, der sich die Hände für sie schmutzig

Weitere Kostenlose Bücher