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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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gedrungen. Mit einem Mal wurde ihr klar, was der jüdische Kaufmann riskierte. Wenn Hedwig tatsächlich der Inquisition auffallen sollte und es herauskäme, dass Daniel bin Daniel auf welche Weise auch immer mit ihr in Berührung gekommen war, würden er und seine Familie bereits enteignet und vertrieben oder gar eingekerkert sein, während man erst an der Anklageschrift gegen Hedwig feilte.
    »Wisst Ihr, was Ihr da verlangt?«, fragte sie schwach.
    »Es ist die Alternative zum Scheiterhaufen.« Daniels Gesichtszüge wurden weich. »Ach, Schwester Elsbeth, ich wollte, es wäre nicht ich, der diese Dinge sagt. Aber wer könnte die Botschaft besser überbringen als ein Freund, von dem Ihr wisst, dass er es immer ehrlich meint?«
    Elsbeth seufzte. »Ich muss das Zug um Zug machen. Sie gewöhnt sich an viele Dinge, wenn man sie ihr langsam näherbringt.«
    »Seht Ihr. Richtet Schwester Reinhild bitte meine besten Grüße aus. Ich habe sie seit unserem Treffen damals an der Wegstation in sehr guter Erinnerung behalten.« Er lächelte aufs Neue.
    Es wird dafür sorgen, dass sie wieder tagelang mit glasigem Blick herumläuft , dachte Elsbeth vage belustigt. Und dann dachte sie: Rogers, Rogers, wieso muss ich mir, um dir zu schenken, wonach du dich sehnst, selbst das Messer in den Leib stoßen?
    »Keine Tränen«, sagte Daniel bin Daniel, der ausnahmsweise die Situation missverstand. »Ihr macht Hedwig damit nicht unglücklich, Ihr rettet sie und Euch und dieses Vorhaben.«
    4.
WIZINSTEN
     

     
    Es dauerte fast eine Woche, bis Elsbeth genug Mut fand, sich selbst das Herz zu brechen und Rogers mitzuteilen, was sie wusste.
    In diesen sechs Tagen unterband sie mit höflichen Worten Hedwigs Kontakte zur Außenwelt, benannte Reinhild zu Hedwigs Aufpasserin und unternahm auch sonst alles, was Daniel bin Daniel ihr geraten hatte. Zu ihrem Erstaunen tat all das der Bewunderung der Frauen Wizinstens für Hedwigs krause Weisheiten keinen Abbruch. Es war eher so, als fänden die Frauen es vollkommen berechtigt, dass Hedwig sich von der Welt zurückzog – als gälte ein Prophet weniger, wenn er sich tatsächlich mit denen unterhielt, denen seine Botschaften galten. Elsbeth fragte sich unwillkürlich, ob Jesu überlieferte Leutseligkeit ihn heutzutage nicht als unglaubwürdig würde erscheinen lassen, wenn er wieder auf der Erde wandelte. Dass sie mit der Befolgung des Rats Daniel bin Daniels unbeabsichtigt dafür sorgte, dass Hedwig in den Ruf einer Mystikerin geraten würde, nahm sie besorgt, aber auch hilflos zur Kenntnis. Letztlich behielt sie nur ihr Wissen darüber für sich, dass Sariz de Fois allem Anschein in Milan Unterschlupf gefunden hatte.
    Seit Wilbrand in eine der Hütten umgezogen war, die er auf dem Baugelände errichtet hatte, hatte Rogers die Kammer unter dem Dach der Herberge angemietet. Er, Walter und Godefroy mussten ihren Verdienst aus der Arbeit im Steinbruch zusammenwerfen, um die Kammer bezahlen zu können, und doch schliefen Rogers’ Freunde unten in der Schankstube, wann immer Elsbeth und Rogers ihre Zweisamkeit genießen wollten – was mehrfach pro Woche der Fall war. Elsbeth war aufs Neue gerührt von der selbstverständlichen Freundschaft, die die drei unterschiedlichen Männer verband. Mittlerweile konnte sie ihren Hintergrund besser verstehen, da sie die Erlebnisse der drei in Terra Sancta kannte, dennoch hielt sie eine Freundschaft wie die ihre für ein Gottesgeschenk. Sie wusste, dass auch Rogers so empfand; seine Aufgewühltheit über den vermeintlichen Tod Godefroys hatte dies nur bestätigt. Sie streichelte über Rogers’ Schultern, presste sich an seinen Rücken, genoss die Berührung von Haut auf Haut und die Aussicht, dass ihre Leidenschaft nur eine Pause machte, genoss die Neugier, mit der sie gegenseitig auf das eingingen, was der andere vorschlug, und die halb belustigte Fassungslosigkeit, mit der sie sich klarmachte, dass vieles, womit sie einander Lust schenkten, von Pfarrern und Prälaten als widernatürliche Praktiken gegeißelt wurde. Es waren dieselben Pfarrer und Prälaten, die in den heimlichen Bordellen mit Knaben und jungen Mädchen die wirklich widernatürlichen Dinge anstellten, was die Sache in Wahrheit nicht ganz so lustig machte; doch Elsbeth gestand sich ein, in Rogers’ Armen viel zu egoistisch ihr Verlangen nacheinander zu genießen, um solche Gedanken in den Augenblicken der Vereinigung zuzulassen.
    Wenn es überhaupt einen störenden Faktor in ihrer Liebe gab, dann

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