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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Junge zieht ins Heilige Land. Nicht viele sind jemals von dort zurückgekehrt. Es wäre unrecht von uns, Hedwig zu verwehren, dass sie ihren Zwillingsbruder noch einmal sehen kann. Gleichzeitig machte Elsbeth sich selbst Vorwürfe. Hedwig hatte seit ihrer Ankunft hier in Wizinsten entspannter und glücklicher gewirkt als je zuvor. War es trotzdem recht gewesen, sie so viele Zeit sich selbst zu überlassen? Was hielt Gott für wichtiger – dass ihm ein weiterer Tempel erbaut oder dass eine Seele gerettet wurde? Aber wenn man tief drinnen die Überzeugung hatte, dass eigentlich alle anderen Seelen der Rettung bedurften, nur nicht die Hedwigs? Selig, die keine Gewalt anwenden, selig, die ein reines Herz haben, selig, die Frieden stiften … traf dies nicht alles auf Hedwig zu? Ihretwegen hatte das Kloster mit Guda Wiltin und mittlerweile drei weiteren Frauen Konversen gewonnen, die zwar weiterhin zu Hause wohnten, aber den Schwestern unter die Arme griffen und das Leben zwischen Ruine und Klosterbaustelle einfacher gemacht hatten.
    Eine der Frauen drehte sich um und sah Elsbeth herankommen. Die Gruppe um Hedwig teilte sich, und Elsbeth erkannte mit einem Schock, dass ein Mann unter ihnen war, der einen Fuß auf einen alten Wurzelstock gestützt hatte und Hedwig zuhörte. Der Schock wurde noch größer, als sie erkannte, dass der Mann Daniel bin Daniel war. Sie blieb mit offenem Mund stehen.
    Der jüdische Kaufmann wurde auf Elsbeth aufmerksam, verbeugte sich vor der Damenschar und kam mit schnellen Schritten auf sie zu. Einige der Frauen folgten ihm mit den Blicken. Daniel bin Daniel trug seine übliche, elegant-schlichte dunkle Kleidung mit dem Schandfleck des gelben Judenrings darauf. Es sprach für den Frieden, der tatsächlich in der Gegenwart Hedwigs herrschte, dass die Frauen offensichtlich keinerlei Gedanken daran verschwendet hatten, dass ein Jude anscheinend fasziniert den Trancen einer Zisterziensernonne lauschte.
    Daniel bin Daniel presste die Hand aufs Herz und verbeugte sich tief. Dann strahlte er Elsbeth an. »Schwester Elsbeth, es tut meinen Augen gut, Euch zu sehen. Einer Klosterschwester würde ich es nicht sagen, aber Ihr seid auch eine Frau, und eine Frau hört so etwas immer gern: Kann es sein, dass Ihr noch schöner geworden seid?«
    »Ihr seid ein Schmeichler, ein Sünder und ein Lügner«, sagte Elsbeth und schob unwillkürlich eine Haarsträhne zurück, die sich unter dem Gebende hervorgestohlen hatte. Sie hatte ihr Haar nicht mehr geschoren, seit Rogers in aller Unschuld gesagt hatte, dass er es liebte, wenn sie dicht aneinandergedrängt schlummerten und ihre Haare ihn im Gesicht kitzelten. »Gott vergebe Euch.«
    »Sollte meine Seele deswegen für die Dschehenna bestimmt sein, werde ich es klaglos ertragen.«
    »Weshalb seid Ihr gekommen? Wollt Ihr nachsehen, ob Euer Geld gut angelegt ist? Ihr werdet staunen – kommt, ich zeige Euch die …«
    »Schwester Elsbeth, Ihr wisst genau, dass ich nicht hier bin, um Euch auf die Finger zu schauen.«
    »Aber ich möchte Euch die Baustelle zeigen!«
    »Das ist etwas anderes. Na los, führt mich schon hin.«
    Elsbeth zögerte, weil ihre guten Manieren endlich Gelegenheit gefunden hatten, ihre Gedanken einzuholen. »Wann seid Ihr überhaupt angekommen?«
    Daniel bin Daniel blickte in den Himmel. »Vor einer Stunde?«
    »Du meine Güte! Entschuldigt, lieber Freund, entschuldigt – Ihr wollt Euch sicher ausruhen …!«
    »Glaubt Ihr, ich würde Ruhe finden angesichts Eures Eifers, mir zu zeigen, was Ihr bereits geschafft habt?«
    Elsbeth ließ den Kopf hängen. »Reb Daniel, Ihr seid zu gut für diese Welt.«
    »Ich und Millionen andere«, sagte der jüdische Kaufmann leichthin. »Also los, gehen wir. Ich glaube, von diesem Hügel dort hat man einen fantastischen Überblick. Was ist das für ein Ding auf seiner Kuppe?«
    »Ein römischer Kran. Godefroy hat ihn wieder repariert. Mit ihm halten wir die Netze, die den Steinbruch sichern. Das war eine Idee der Ebraer Mönche. Man kann die Herren tatsächlich für etwas brauchen.«
    »Römischer Kran? Godefroy? Steinbruch? Mönche? Meine Liebe, lasst uns so schnell wie möglich die Baustelle besichtigen, bevor ich völlig den Anschluss verliere.«
    Keuchend an Daniel bin Daniels Seite, der trotz seines silberweißen Haars keinerlei Zeichen von Anstrengung zeigte, als sie endlich auf dem Galgenberg standen, blickte Elsbeth zur Baustelle hinunter. Überrascht erkannte sie, dass sie noch kein einziges Mal

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