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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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hier heraufgekommen war, um das Werk zu bewundern. Wenn sie sich den Hügel hinaufgequält hatte, dann nur, um zu prüfen, ob die Arbeiten ordentlich vorangingen und die Pläne eingehalten wurden – und das, obwohl Meister Wilbrand täglich auf den Hügel stieg. Beschämt machte sie sich klar, dass sie weniger Vertrauen zu ihrem Baumeister bewies als ihr Geldgeber ihr gegenüber. Sie atmete durch, und die schlechten Gedanken verflogen, als Daniel bin Daniel durch die Zähne pfiff und dann sagte: »Ich habe Euch viel zugetraut, Schwester Elsbeth, aber Ihr habt meine Erwartungen noch übertroffen.«
    Stolz stand sie neben dem Juden und betrachtete die Wiese. Der Westflügel des Kreuzgangs wurde bereits eingedeckt. Wilbrand hatte den künstlichen Abfluss des Sees genutzt und von ihm einen Kanal abgeleitet, der wie geplant auf der einen Seite in den Kreuzgang führte und auf der anderen Seite wieder hinaus. Noch war er nichts weiter als eine lange Narbe im Erdboden, doch oben, wo nur ein paar Fuß Erdreich abgestochen werden mussten, damit das Wasser aus dem Abfluss in den neuen Kanal gelangen konnte, befestigten Arbeiter die Kanalränder bereits mit Bruchsteinen. Die hölzerne Kirche, die dort stand, wo sich später der Klosterbau mit dem Kapitelsaal, dem Auditorium und dem Scriptorium erheben würde, sah seltsam grob und baufällig aus neben dem exakten Geviert des Kreuzgangs, doch entlang seines Nordflügels waren bereits Tonnen von Erdreich und Kies aufgeschüttet, damit die Stelle, an der die Kirche stand, die höchste des gesamten Klostergeländes war. Rundherum waren die Pfähle gesteckt, die die Umrisse der eigentlichen Kirche beschrieben. Ein übermannshohes Kruzifix aus fein geschliffenen Balken stand dort, wo später einmal der Hochaltar im Sanktuarium stehen würde – Marquard hatte es angefertigt, glücklich, von Nutzen gewesen zu sein, nachdem er sich selbst versagt hatte, jemals wieder einen Fuß in den Steinbruch zu setzen. Im Südwesten des Kreuzgangs standen die Handwerkerhütten; später würden hier die Konversen ein Dach über dem Kopf finden. Etwas weiter entfernt und zur Straße hin hatte Wilbrand robustere Holzbauten errichtet. Das Holz dafür hatten die Zisterzienser gegeben, nachdem sie erklärt hatten, sie brauchten eigene Hütten für ihre Steinmetzen, um den abgebauten Stein auf Herz und Nieren zu prüfen, bevor er nach Ebra geschafft wurde. Sie hatten unausgesprochen gelassen, dass sie den Arbeitern, die für Elsbeth schafften, nicht trauten, und hatten völlig vergessen, danach zu fragen, wie viel Geld sie für den Aufbau der Hütten schuldig waren. Wilbrand hatte abgewunken, als Elsbeth angefangen hatte, sich deshalb in Wut zu reden. Er hatte den Zisterziensern dreimal so viel Holz wie nötig abgeluchst, das nun in unauffälligen kleinen Stapeln überall herumlag, um später die Dachstühle und das Gerüst für die Steinbauten des Klosters abzugeben. Es war ausschließlich Eiche, in Mengen, die Elsbeth sich niemals hätte leisten können. Wilbrand hatte nur eine Augenbraue in die Höhe gezogen und so selbstzufrieden ausgesehen wie ein Kardinal nach dem Abendessen. Zudem hatte er die Steinmetzhütten dort errichten lassen, wo später die Wirtschaftsgebäude des Klosters geplant waren – nach dem Ende der Bauarbeiten konnten sie einfach stehen bleiben.
    »Ihr nehmt es mir nicht übel, wenn ich gestehe, dass ich nicht viel mehr erwartet habe als ein Loch im Boden«, sagte Daniel bin Daniel. »Wann habt Ihr angefangen zu bauen?«
    »Vor sieben Monaten«, sagte Elsbeth.
    »Nicht schlecht. Nicht schlecht. Habt Ihr vor, den ersten Kirchenbau zu errichten, der schneller fertig ist als eine Burg?«
    »Wir haben bisher nur einen Bruchteil geschafft, Reb Daniel. Der Kreuzgang ist das wichtigste, aber zugleich auch das simpelste Gebäude des ganzen Klosters. Und auch er ist bei weitem noch nicht fertig. Aber ich gebe zu, wir sind auf einem guten Weg.«
    »Ihr seid bemerkenswert, meine Liebe.«
    »Nicht ich – wir, Reb Daniel. Wir. So wie ich ohne Eure Hilfe niemals hätte anfangen können, so wäre ich ohne die Hilfe vieler treuer Gefährten nicht bis hierher gekommen.«
    Daniel bin Daniel lächelte. Er betrachtete das Treiben auf der Baustelle eine Weile stumm, dann deutete er zur Stadt hinunter. »Wollen wir wieder zurückgehen?«
    Sie wanderten gemeinsam den Hügel hinab. Plötzlich wünschte Elsbeth sich, Lucardis wäre hier und hätte sehen können, was sie dem Juden gezeigt hatte, und

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