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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Entscheidung war.
    »Rogers – wenn er dich fängt, ist es auch um Walter und Godefroy und um mich und das Kloster geschehen. Wir alle sind dir beigestanden, einem Ketzer! Du musst gehen. Jetzt. Solange er dich noch nicht entdeckt hat. Solange er noch glauben kann, ein Irrtum habe ihn hierhergeführt. Geh! Wenn du mich liebst, dann geh!«
    »Nein!«, röhrte er. »Ich bleibe! Ich kämpfe!«
    »Wenn du ihn nicht tötest, wird er immer wiederkommen. Und du kannst ihn nicht töten. Nicht heute. Geh, Rogers!« Sie weinte so heftig, dass es sie schüttelte. Walter und Godefroy ließen von ihm ab. Er packte Elsbeth und presste sie an sich.
    »Nein!«
    »Geh, Rogers! Wenn schon nicht um meinetwillen, dann um deiner Familie willen!«
    »Ich lasse dich nicht im Stich …!«
    »Du wolltest immer gehen, und heute ist der Tag des Abschieds. Erinnerst du dich? Rogers – deine Mutter lebt! Sie ist in Milan. Vielleicht sind auch deine Schwester und dein Vater bei ihr. Daniel bin Daniel hat es mir gesagt. Geh, Rogers. Such sie. Ich bete, dass wir uns eines Tages wiedersehen.«
    Rogers gaffte Elsbeth an. Er fühlte, wie die Tränen auch aus seinen Augen liefen. Alles in ihm drehte sich, sein Herz fühlte sich an, als sei al-Mala’ikas Messer nicht durch seine Sehnen, sondern durch seine Brust gefahren, und irgendwie war es das auch.
    »Yrmengard …«
    »Ich liebe dich, Rogers!« Sie küsste ihn so hart, dass seine Lippen zerquetscht wurden. Er schmeckte ihre und seine Tränen. »Ich liebe dich! Geh! Ich liebe dich!«
    Walter und Godefroy zogen ihn aus ihren Armen und stellten ihn auf die Beine und trugen ihn mehr, als dass er selber ging, zur Herberge. Menschen kamen ihnen entgegen, ängstliche, panische und wild entschlossene Menschen. Er erkannte Gesichter und erkannte sie doch nicht – Everwin Boneß, kalkweiß und mit weit aufgerissenem, sprachlosem Mund; Lubert Gramlip, eine Hand auf eine wuchtige alte Axt gestützt und mit der anderen seinen Stock schwingend, nicht gewahr, dass er da etwas verwechselt hatte; von weitem sah er Meffridus Chastelose im Kreis seiner Knechte herbeieilen, jeder von ihnen bis an die Zähne bewaffnet, aber bevor der Notar ihn erblicken konnte, taumelte er schon zusammen mit seinen Freunden zur Herberge hinein und zu den Pferdeställen, wo ihre Gäule standen.
    »Yrmengard …«, stöhnte er.
    Er schwang sich auf sein Pferd. Sie nahmen sich nicht einmal die Zeit, die Sättel aufzulegen. Auf dem bloßen Pferderücken und mit dem, was sie am Leib trugen, galoppierten sie zum Tor hinaus und dann aus der Stadt, hinein in die Nacht. Brandgeruch folgte ihnen. Rogers drehte sich um. Er sah die Rauch- und Flammensäule hinter sich aufsteigen – al-Mala’ikas Männer mussten eines oder mehrere der Holzgebäude angezündet haben, vielleicht sogar den gesamten Neubau. Rogers’ Gefühle drohten ihn zu überwältigen, doch dann setzte auf einmal etwas ein, das auch schon beim ersten Liebesakt mit Elsbeth versucht hatte, die Oberhand zu gewinnen. Diesmal ließ er es Sieger sein. Es war das alte, in der frühen Jugend gelernte Wissen, dass Trauer und Glück die Seele ebenso bedrängten wie die Fleischlichkeit ihres Gefängnisses. Es war der antrainierte Instinkt, diese Gefühle zu bezähmen, zu kanalisieren und abzuleiten und verpuffen zu lassen. Er vollführte die stummen Übungen beinahe instinktiv, und falls ganz leise in seinem Herzen eine Stimme fragte, wie perfekt ein Glaube sein konnte, der es denen, die ihn praktizierten, abverlangte, das schönste Geschenk zu ignorieren, das Gott den Menschen gemacht hatte, nämlich die Gefühle, dann tat er so, als würde er sie nicht hören. Schließlich straffte er seine Schultern, richtete sich auf dem Pferd auf, schlug ihm die Hacken in die Seiten, bis es aus Leibeskräften rannte, und Seite an Seite mit Walter und Godefroy galoppierte er die Straße entlang. Die Seitenblicke seiner Freunde ignorierte er.
    Er würde nicht zusammenbrechen. Er war wieder zu seiner Mission zurückgekehrt, er war wieder auf dem Weg zur Vollkommenheit, auf dem Weg zum Ziel eines jeden wahren Gläubigen.
    Und die leise Stimme in seinem Herzen fragte, ob er nicht eigentlich dachte, dass er in Wahrheit sein Ziel schon erreicht hatte und dass es gerade hinter ihm in Flammen aufging.
    6.
WIZINSTEN
     

     
    Wenn Gabriels Pferd sich nicht in einer der Faschinen verfangen hätte, die aus dem Boden hervorgewühlt worden waren, und ihn abgeworfen hätte, wären die Angreifer alle mit

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