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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Leichtigkeit entkommen. So hatten es die Städter vermocht, sie an der Nordflanke des Kreuzgangs in die Enge zu treiben, auf dem flachen Hügel, auf dem die Klosterkirche entstehen sollte. Sie hatten sich dorthin zurückgezogen, weil Gabriels Männer ihre Pferde dort angehobbelt hatten; sie zu besteigen war ihnen nicht mehr möglich gewesen.
    Meffridus sah zu der kleinen Gruppe hinauf. Als er auf dem Kampfplatz aufgetaucht war, war die Führung der Verteidigung ohne jedes Zutun sofort auf ihn übergegangen. Er blickte links und rechts über die Schulter und musterte die grimmigen, erhitzten Gesichter der Wizinstener Bürger. Dann hob er das kurze Schwert hoch, das er trug, zeigte es allen und ließ es demonstrativ fallen. Ein Raunen ging durch die Menschen hinter ihm.
    »Ich komme hoch«, sagte er laut.
    Gabriel trat aus dem Ring seiner Männer heraus. Auch er hob sein Schwert hoch und ließ es fallen. »Ich werde zuhören«, sagte er.
    Meffridus stieg langsam die niedrige Böschung hinauf. Er wusste, dass Gabriel mindestens ein Messer hinter dem Rücken im Gürtel stecken hatte und ein weiteres im Stiefel. Er fragte sich, ob im rechten oder im linken Stiefel. Sein eigenes steckte jedenfalls im rechten Stiefelschaft.
    Gabriel nickte ihm zu. Gemeinsam traten sie ein wenig abseits.
    »Du hättest mir sagen können, dass Bezers sich die ganze Zeit hier aufhielt«, rügte Gabriel milde.
    Meffridus zuckte mit den Schultern. »Ich hatte meine Gründe. Wie hast du es erfahren?«
    Gabriel nickte zu einer gefesselten Gestalt, die mit einem Sack über dem Kopf neben den Pferden lag, die an der Mauer des Kreuzgangs standen. Meffridus warf ihm einen Seitenblick zu, dann stapfte er zu ihr hinüber. Er war sich bewusst, dass mindestens hundert Augenpaare ihm folgten. Wäre er nicht der gewesen, der er war, hätte schon längst jemand nach oben gerufen, dass er mit Plaudern Schluss machen und beiseitetreten solle, damit man die Angreifer erschlagen könne. Gabriel gab durch keine Regung zu verstehen, dass er die Situation verstand, obwohl es ihm mit Sicherheit klar war: Zwischen den Knüppeln, Äxten, Sensen und Fleischmessern der Wizinstener und ihm und seinen Männern stand nur die Angst vor Meffridus Chastelose. Nicht einmal er hätte eine Chance gegen eine fast zwanzigfache Übermacht besessen. Irgendwo im Hintergrund erlosch das Feuer, das sie an eine der Steinmetzhütten neben der Straße gelegt hatten, um etwaigen Verteidigern etwas zu tun zu geben. Der Bach und der Kanal waren zu nahe gewesen, und die Löscharbeiten waren zügig vorangegangen.
    Meffridus ging neben der gefesselten Gestalt in die Knie und zog ihr den Sack vom Kopf. Er blickte in Jutta Holzschuhers weit aufgerissene Augen. Jutta blinzelte nicht. Er musterte das starre Gesicht eine Weile, dann zog er den Sack wieder darüber.
    »Sie hat den Engländer gevögelt«, sagte er. »Unter anderen.«
    Gabriel reichte ihm ein Stück Pergament. Es war mangelhaft abgeschabt. Man konnte erkennen, dass es aus einer Bibel gerissen war. Meffridus ahnte, welche Bibel es war: das alte, verschimmelte Exemplar aus dem Benediktinerkloster. Ein einziger Satz war darauf geschrieben, in einer künstlich gestelzten Schrift, die keinen Rückschluss auf die Hand zuließ, die sie verfasst hatte, außer dass es nicht Jutta Holzschuher gewesen sein konnte: Hic est Bezers . Die Implikationen, die sich mit dem lateinischen Satz und der Herkunft des Abrisses verbanden, waren mannigfaltig. Meffridus ließ sich keine davon anmerken. Er fuhr mit dem Finger über die Stelle, wo ein Klecks Siegelwachs gebrochen worden war, um das Pergament entrollen zu können.
    »Wusste sie, was in der Botschaft stand?«
    Gabriel schüttelte den Kopf. Was nicht hieß, dass er die junge Frau nicht danach gefragt hätte. Eindringlich gefragt.
    »Warum habt ihr sie getötet?«
    »Nachdem sie uns hierhergeführt hatte, war sie nicht mehr nützlich. Was hättest du getan?«
    Meffridus antwortete nicht. Ihm war klar, was Gabriels Plan gewesen war: die Baustelle überfallen, Rogers de Bezers überwältigen, seine Freunde töten und unerkannt wieder davonreiten, ihren Gefangenen im Schlepptau. Niemand, der auf sie hätte hinweisen können, durfte bei so einem Plan am Leben bleiben.
    »Du hast einen Verräter hier in deiner Stadt sitzen, Michael«, sagte Gabriel.
    »Es gibt keinen Verräter, weil niemand hier weiß, worum es mir geht«, sagte Meffridus. Im Stillen dachte er: Genau das ist es, was diesen Verrat so

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