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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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in die Höhe. Der Gang roch hinter der Tür nicht anders als draußen – moosig, schlammig, kalt. Die Ziegelmauer machte nach der Tür eine Krümmung, was dahinter lag, wurde vom Laternenlicht nicht erreicht.
    »Es ist nicht weit«, sagte Meffridus und stapfte voran.
    Constantias Augen suchten den Boden ab, während sie ihm folgte. Wenn sie erneut auf menschliche Knochen getreten wäre, hätte sie zu schreien begonnen. Aber das Einzige, was den Boden bedeckte, waren die Holzspäne, die der Einbau der Tür verursacht hatte. Warum hatte sie erwartet, dass sich dahinter die Skelette häufen würden? Wo war die Kinderhand hergekommen, die Constantia bei ihrem heimlichen Besuch gefunden hatte und über der jetzt Bruder Hildebrand offenbar unentschlossen brütete? Würde sie es heute erfahren?
    Wollte sie es erfahren?
    Der Gang endete nach ein paar Dutzend Schritten an einer Wand, die neuer aussah als der Rest. Davor standen … Särge! Blut glänzte matt auf ihren Deckeln. Sie griff sich an den Hals. Dann sah sie, dass es nur ein paar Kleidertruhen mit bunten Klecksen darauf waren. Als sie näher trat, erkannte Constantia, dass es Wappen sein sollten, hastig und kunstlos aufgemalt – ein rotes Tatzenkreuz auf weißem Grund wie das Kreuz der Templer; ein einfacher roter Schild ohne jegliche Heroldsfigur; zwei rote Sonnen auf goldenem Grund; ein goldener Löwe auf blauem Grund und ein Schild, auf dem rote und silberne Balken sich abwechselten und der in den silbernen Balken schwarze Symbole ähnlich dem Muster auf einem Hermelinmantel trug. Das letzte Wappen war auf zwei Truhen gepinselt, die deutlich größer waren als die anderen.
    »Was ist das?«
    »Sieh es dir an.«
    Die Truhen waren nicht verschlossen; Constantia öffnete eine davon. Sie prallte zurück. Als Meffridus das Licht näher brachte, begannen ihre Augen zu tränen, und sie schnappte nach Luft. Der Deckel entglitt ihren Fingern. Meffridus fing ihn auf und öffnete ihn ganz. Dann öffnete er der Reihe nach die anderen Truhen. Bei jedem gedämpften Knall, wenn der Deckel aufklappte, zuckte Constantia zusammen. Sie konnte die Blicke nicht vom Inhalt der ersten Truhe lösen. Angst und Enttäuschung waren vergangen angesichts des Inhalts der Truhen. Ihr fiel nicht einmal auf, dass Meffridus hinter sie trat. Sonst lief ihr immer eine Gänsehaut über die Arme, wenn sie seinen Atem unverhofft im Nacken spürte. Aber jetzt … Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, dass ein merkwürdiger Schimmer die Tunnelwände gefärbt hatte, der nicht allein vom Laternenlicht stammte. Was in den Truhen war, hatte seinen ganz eigenen Glanz.
    Die Frage war nun dumm, aber sie konnte nicht anders, als sie erneut zu stellen. »Was ist das?«
    Meffridus stellte die Laterne ab, fasste in die nächste Truhe und nahm einen goldschimmernden Reif heraus. Constantia hielt den Atem an, als er ihn ihr sanft auf den Kopf setzte. Sie hatte Verzierungen in Blütenform gesehen, die abwechselnd in Gold und Silber gearbeitet waren, im Zentrum jeder Blüte ein bunter Edelstein und darunter an feinen Kettchen hängende, gefasste Perlen wie Tautropfen. Der Reif war ein Schapel. Sie spürte das federleichte Gewicht des Schmuckstücks auf dem Haar. Meffridus lächelte.
    »Blond und Gold verträgt sich nicht so gut«, sagte er. »Wir müssen etwas anderes für dich finden.« Er machte keine Anstalten, ihr das Schapel abzunehmen.
    In der Truhe lagen Kelche, Becher, Teller, verzierte Waffen, Schwertscheiden, Gürtelbeschläge, Sporen, silberbeschlagene Zaumzeuge, Fibeln, Arm- und Stirnreife, Knöpfe, metallglänzende Haarnetze, Ringe, perlenbesetzte Gebendenadeln in samtbeschlagenen Schatullen, edelsteinglitzernde Fürspane, Kämme aus Elfenbein mit Rubineinlagen und Münzen, Münzen, Münzen … Es war ein schier unermesslicher Schatz, und das wilde Durcheinander, in dem er sich befand, ließ ihn obszön wirken und schien den Betrachter aufzufordern, mit beiden Händen hineinzugreifen und zu wühlen. Constantia stolperte von einer Truhe zur nächsten. Der Inhalt ähnelte sich, die Schmuckmotive bestanden aus Tieren, Pflanzen- oder hypnotisch anmutenden Spiralmustern, und allen gemeinsam war, dass die Goldschmiedekunst von allererster Qualität war und der Reichtum blind machte. Es sah aus, als stünde sie vor den verpackten Schatzkammern mehrerer Könige. Das Schapel in ihrem Haar verrutschte, als sie sich nach vorne beugte, und schon jetzt war die Handbewegung, mit der sie es geraderückte,

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