Die Pforten der Ewigkeit
Bruche nicht mehr hatte vorziehen können, ragte nun zwischen den Falten der Tunika sein Teil hervor, noch immer prall, noch immer glänzend vor Feuchtigkeit. Sie sah aus Lodewigs Perspektive, wie sie ihre Hand vor den Mund legte und zu kichern begann; und sie sah, ebenfalls mit Lodewigs Blicken, ihren schlichten Sommerkittel, der ihr viel zu kurz geworden war und knapp unter den Knien endete, sah ihre nackten Waden, ihre bloßen Füße. Als Constantia fühlte sie geradezu, wie seine Blicke an ihr emporkrochen, und wurde sich bewusst, dass der Halsausschnitt ihres Kittels viel zu weit auseinanderklaffte. Sie spürte die Demütigung und den Zorn in Lodewig, die ihr Kichern verursachten, und die beginnende Beklommenheit in Constantia, die das Kichern verebben ließ. Der Traum ließ sie gleichzeitig spüren, was der nächste Gedanke in ihrem jüngeren Selbst und in Lodewig auslöste – der Gedanke, dass sie unter dem Kittel nackt war. In die tödliche Verlegenheit Constantias klang die Mischung aus Wut und unbefriedigter Geilheit in Lodewigs Herz. Dann war er über ihr.
Constantia schlug die Augen auf. Es war eine Eigenheit dieses Traums, dass sie an dieser Stelle stets aufwachte. Obwohl sie ihn schon so lange nicht mehr geträumt hatte, besaß er immer noch diese Qualität. Es war, als wünsche etwas in ihr, dass sie die folgenden Ereignisse nicht durch die verzerrte Wahrnehmung eines Traums erlebte, sondern bei klarem Verstand nachempfand.
Lodewigs Hände um ihren Hals, Lodewigs Küsse auf ihrem entblößten Oberkörper, Lodewigs Stöhnen, sein Gewicht auf ihr, seine Stöße und sein Bocken und ihre vergeblichen Versuche, zu schreien oder ihn abzuwehren, der plötzliche Schmerz in ihrem Schoß …
Nachher … nachher hatte er in einer Art verwirrter Verlegenheit mit bloßen Händen ihren Leib abgewischt, der von seiner Nässe klebrig war, hatte den Kittel herabgezogen, während sie ihn angestarrt hatte, noch immer so auf dem Boden vor seiner Kammertür liegend, wie er sie niedergeworfen und bestiegen hatte. Er hatte sich geräuspert und gehustet, und dann hatte er zu reden angefangen, mit einer Stimme, die auf einmal wieder wie die des Jungen klang, dessen Alter er noch nicht lange hinter sich gelassen hatte. Sie hörte die brüchige, atemlose Stimme immer noch: wie sie damit drohte, dass er sie umbringen würde, wenn sie jemandem verriet, was heute geschehen war; wie sie erklärte, dass er, Lodewig, alles leugnen und zur Not auf die Bibel schwören würde, dass sie sich alles nur ausgedacht hatte; wie man sie untersuchen und ihre fehlende Jungfräulichkeit bemerken würde und wie aufgrund seines Leugnens der Verdacht aufkommen würde, Constantia Wiltin sei ein loses Stück, das sich von Gott weiß wem hatte pflücken lassen, und wie ihre Familie entehrt wäre und ihre Tage in Wizinsten gezählt.
Sie hatte zu weinen begonnen. Er hatte sie betroffen angesehen. Er hatte gesagt, dass er sie vielleicht heiraten würde, wenn er erst Meister wäre, dann würde ihr die Peinlichkeit erspart bleiben, ihrem Bräutigam in der Hochzeitsnacht als gefallene Jungfrau entgegenzutreten, weil er als ihr Bräutigam ja wusste, was geschehen war.
Er hatte sich vornübergebeugt und sie auf die Lippen geküsst, und sie hatte seine Zunge in ihrem Mund gespürt und wie eine seiner Hände an ihrem Kittelsaum zu zupfen begann.
Vielleicht hatte sie es ja auch genossen? Zum Henker, war sie nicht ausgerechnet gekommen, als er allein im Haus gewesen war, und hatte ihre Beine gezeigt und den Kittel so weit offen gehabt, dass er fast ihre Titten hatte sehen können? Sie hatte es doch gewollt, oder? Und er könnte ihr Sachen zeigen …
Das Geräusch des Handwagens, der sich dem Haus näherte, hatte sie vor einer zweiten Vergewaltigung bewahrt. Sie war in den Garten geflohen und von dort zurück in ihr Haus, ohne dass Gerlach und Cristina mitbekommen hatten, was geschehen war. Ihr Schoß brannte wie Feuer, auf ihrer Haut klebte der Samen ihres Peinigers, und ihr Herz erstickte fast vor Wut und dem Verlangen, sie alle, alle zu vernichten.
Sie wandte sich um. Meffridus lag neben ihr, aber für dieses eine Mal war der Drang, Auskunft zu bekommen, stärker als der Abscheu vor ihm. Sie berührte seine Schulter, um ihn zu wecken.
»Ich bin wach«, sagte er.
»Woher hast du es gewusst?«
»Woher habe ich was gewusst?«
»Dass ich … die Geschichte mit Lodewig damals …«
»Dass dich der Geselle deines Nachbarn vergewaltigt hat? Warum
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