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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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zu kommen. Sie muss nicht mehr bei Eltern leben, die sie an jemanden verkauft haben, von dem sie glaubten, er sei der Teufel persönlich – was sie nicht davon abgehalten hat, das Geschäft zu machen. Das ganze Gesuche und der Schuh, den wir im Wald ›fanden‹ – das war ein Teil der Abmachung. Es war ihre Idee, nicht meine. Und falls es dich interessiert: Ich kenne jede Menge Schweinehunde, aber ein Händler, der Kinder als Lustsklaven verkauft, ist nicht darunter.«
    Es dauerte lange, bis Constantia wieder Worte fand. »Aber warum hast du ihnen denn nie …? Ich habe sie gesehen, auf meiner Hochzeitsfeier … ich habe noch nie so viel Verzweiflung bei zwei Menschen …«
    »Nicht genug, wenn du mich fragst«, sagte Meffridus.
    »Sie hätten es nie getan, wenn sie nicht sicher gewesen wären, dass sie zurückzahlen konnten.« Später würde sie sich übergeben bei der Erinnerung daran, dass sie das gesagt hatte. Jetzt wirbelten die Gedanken nur in ihrem Kopf umher wie kleine Vögel in einem Sturm. Das imaginäre Messer, das sie Meffridus mit ihrer Frage ins Herz hatte stoßen wollen, hatte sich in ihrer Hand gedreht und stattdessen seiner Trägerin eine Wunde beigebracht.
    »Das nehme ich an.«
    »Und jetzt leben sie im Glauben …«
    »Ja«, sagte Meffridus. »Sehr gut.«
    »Aber sie haben dir doch das Geld am Ende gegeben!«, keuchte Constantia. »Warum lässt du sie immer noch leiden!?«
    »Was würde aus unserer Furcht vor dem Teufel, wenn wir ihn gnädig erlebten?«, fragte Meffridus.
    Constantia verbarg das Gesicht in den Händen. Wie konnte es sein, dass Meffridus selbst eine edle Tat wie die Unterbringung des Mädchens in einem Waisenhaus noch in eine Grausamkeit verwandeln konnte?
    »Der Teufel, Constantia«, sagte Meffridus, »ist nichts anderes als ein Name, den wir der Dummheit und der Bösartigkeit gegeben haben, die wir auf dem Grund unserer Seelen finden. Er ist die Entschuldigung dafür, dass wir Dinge tun, die unser Gewissen sich winden lässt, und gleichzeitig die Kraft, die dahintersteckt, dass wir sie tun.«
    »Du zeichnest eine Welt, in der es kein Licht gibt«, flüsterte sie.
    »Der Teufel hat dir doch damals auch die Kraft gegeben, dich dafür zu rächen, dass dein Nachbar dich vergewaltigt hat«, sagte Meffridus. »Du solltest ihm dankbar sein.«
    18.
WIZINSTEN
     

     
    In dieser Nacht träumte Constantia zum ersten Mal seit sieben Jahren wieder von dem Tag, an dem ihr Leben zerbrochen war und sie es neu hatte zusammensetzen müssen.
    Da war die Mühlgasse, brütend in der Sommerhitze. Da waren die Geräusche aus den behelfsmäßigen Werkstätten, die auf den Rückseiten der Häuser errichtet worden waren, weil in der Hitze der schattenlosen Gasse niemand arbeiten konnte. Da war das Haus neben dem ihrer Eltern. Da war Constantia, zwölf Jahre alt und unschuldig und dumm genug zu glauben, dass die Welt ein freundlicher Ort war.
    Gerlach Klopfer war Schuster. Nach den Maßstäben der Wizinstener Handwerker war er angesehen – sein Betrieb ernährte seine Frau, Cristina, hatte auch vier Kinder ernährt, die alle gestorben waren, bevor sie zehn Jahre alt geworden waren, ernährte ab und zu einen Lehrling und bot auch einem schlaksigen jungen Gesellen namens Lodewig Lohn und Brot. Dass zwei Schuhmacher-Werkstätten – die von Gerlach Klopfer und die von Johannes Wilt – direkt nebeneinanderlagen, war nicht ungewöhnlich. Sie teilten das Geschäft untereinander auf, wobei Johannes sich auf die Herstellung neuen Schuhwerks spezialisiert hatte und deshalb deutlich weniger Umsatz machte als Meister Gerlach, der auch gebrauchte Fußbekleidung reparierte und dessen beständiges Herumhämmern auf frischen Ledernähten, neu genagelten Sohlen und den Nieten von Riemchenschnallen ihm seinen Beinamen eingetragen hatte. Ab und zu gab Gerlach ein paar Reparaturaufträge an Johannes ab, wenn ihm die Arbeit zu viel wurde; ab und zu verschenkte Johannes Restleder an seinen Nachbarn, wenn diesem die Vorräte ausgegangen waren. Sie kamen über die Runden, standen bei der heiligen Messe nebeneinander und prosteten sich auf Festen ordentlich zu. Es war eine anständige Nachbarschaft, und wenn ein Aspekt ihres Zusammenlebens in der kleinen Stadt darüber hinausging, dann die Freundlichkeit, die Gerlach und Cristina an den Tag legten, wenn sie mit Constantia umgingen. Was immer an elterlicher Liebe noch nicht zu Asche geworden war angesichts von vier Kindergräbern auf dem Kirchhof, gossen sie über

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