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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Unwillkürlich packte sie die Axt fester; es wirkte, als schreite sie in den Schlund eines unsäglichen Monstrums hinein, das nur darauf wartete, sie mit seinen Eiszapfenzähnen zu packen, zu verschlucken und nie mehr auszuspeien.
    Wenn es Tag gewesen wäre, hätte sie vermutlich den schwachen Lichtschein gesehen; so spürte sie die Kälte im Gesicht, als sie um die Biegung schritt. Das Laternenlicht enthüllte ein weites, natürliches Becken auf dem Boden. Hier war der Grund nicht festgestampft, sondern Stein, und dieser bildete ein flaches Bassin, das ringsum an den Rändern bereits einzufrieren begann. Die Decke des Ganges war offen, eine unregelmäßige, nahezu kreisrunde Öffnung, aus der die Kälte heruntersickerte und deren Rand ebenfalls eiszapfengespickt war, ein weiteres, aufgerissenes Maul. Noch war der Frost nicht so weit nach hier unten vorgedrungen, dass er all das aus der Erde quellende, aus Spalten tröpfelnde, über die Backsteine rinnende und von den Spitzen der Eiszapfen fallende Wasser hätte einfrieren können, und so wurden die Eiszapfen am Rand des Lochs länger, während die Wassertropfen in das Becken fielen. Plick! Plick! Plick!
    Die Kälte hatte ihn mit Frost überzogen, und so, wie er da lag, hätte er auch ein seltsam geformter Stein sein können oder ein bizarrer Baumstamm. Constantia näherte sich ihm langsam, die Laterne vorgestreckt. In ihrem unsicheren Licht sah sie den braunen Pelz von abgestorbenem Moos in den Gewandfalten. Er wirkte erstaunlich klein. Ein Haufen Kleider, zusammengeknüllt und achtlos auf den Boden geworfen, hätte nicht nebensächlicher aussehen können. Im Laternenlicht schimmerte die gelblich-glatte Form eines Schädels auf, das war alles, was bewies, dass in dem Haufen ein Mensch steckte – einer, der schon lange hier lag.
    Constantia ging um den Leichnam herum. Jedes Kleidungsstück wäre hier unten schwarz geworden, doch sie wusste, dass es schon schwarz gewesen war, als sein Besitzer noch gelebt hatte. Es war eine Benediktinerkutte. Constantia fühlte weder Triumph noch Grauen. Alle hatten sich immer gefragt, wohin die Benediktiner über Nacht gegangen sein konnten, dabei waren sie niemals gegangen. Sie waren immer hier gewesen. Wer der Tote war, ob der Prior oder einer der Mönche, ließ sich nicht feststellen, und es war auch egal. Es war auch belanglos, dass er ganz allein hier lag. Sie ahnte, dass die anderen nicht weit waren.
    Als sie den Arm mit der Laterne in die Höhe streckte, sickerte das Licht ein wenig weiter hinauf in den Schacht, der über dem Becken nach oben führte. Auf halber Höhe sah sie einen vermoderten, unvollständigen Deckel aus Holz, der den Schacht zum großen Teil verschloss. Sie brauchte nicht lange, um herauszufinden, wo sie stand: auf dem Boden des ehemaligen Brunnens, der zwischen dem alten Wachturm und dem ehemaligen Benediktinerkloster lag. Sie kannte ihn nicht anders als versiegt. Nun wusste sie auch, wann er versiegt war – als der See, der im Steinbruch entstanden war, alle unterirdischen Wasserläufe geändert hatte. Wenn sie hier hätte nach oben klettern können, wäre sie mit ein paar Dutzend langen Schritten vor dem Eingang des Klosters gestanden. Sie hätte Schwester Elsbeth wachrütteln können. Die Botschaft, dass ihre Vorgänger noch immer hier wachten, hätte sie vermutlich erschüttert.
    Constantia schritt an dem Toten vorbei, über den Licht und Schatten krochen, als seien sie lebendig, ohne ihm selbst das Leben zurückgeben zu können. Etwas schimmerte im flachen Wasser des Beckens auf. Eine Leiter. Hatte der Mönch gehofft, mit ihrer Hilfe aus dieser Unterwelt zu entkommen? War er hier verhungert? War er einer Krankheit erlegen? Doch die Fragen waren überflüssig – Constantia hätte gewettet, dass man, hätte man den Toten vor vielen Jahren entdeckt und untersucht, klaffende Wunden an seinem Körper gefunden hätte … oder einen tiefen Schnitt durch seine Kehle. Jetzt behielten die blanken Knochen das Geheimnis seines Todes für sich, und nur eines stand fest: Er war nicht bis zur Leiter gekommen.
    Sie folgte dem Gang, wissend, dass sie in einen Friedhof eindrang.
    Es waren mindestens zwanzig, und das waren nur die Schädel, die Constantia hatte zählen können, ohne den Haufen zu berühren. Vielleicht waren es doppelt so viele Tote. Der Leichenberg war eingesunken, alle Kleider waren schwarz, obwohl es diesmal keine Benediktinerkutten waren. Oder nicht nur. Die Toten waren auch nicht alles

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