Die Pforten der Ewigkeit
ins Auge.«
Es gab nur eine mögliche Antwort darauf. »Was erwartest du von mir, Rudeger? Mitleid?«
Sein gesundes Auge rötete sich. »Nein«, sagte er. »Von dir erwarte ich nur, dass du im Kindbett verreckst und Meffridus’ Balg mit dir.«
»Du denkst zu kurz«, sagte sie, »wenn du hoffst, dass das Schicksal deine offene Rechnung bezahlt.«
»Aber wenn es passiert, werde ich auf deinem Grab tanzen.«
Constantia wandte sich ab und tat so, als wolle sie über den Rand des Damms nach unten gehen. »Du bist nicht mehr der Mann, der ich gedacht habe, dass du bist«, sagte sie.
Er blieb so lange bewegungslos stehen, dass sie bereits glaubte, sie habe den Bogen überspannt, dann fragte er: »Was willst du mir sagen?«
Constantia sah nach unten. Es war perfekt. Ella Kalp hatte sich auf einen Stein gesetzt, um zu verschnaufen, und wie üblich vergessen, dass die Welt aus mehr bestand als aus Spielen und Herzen mit Ursi. Sie wandte dem Damm den Rücken zu. Constantia hörte das Lachen der Kleinen bis hier herauf. Sie blickte über die Schulter. Rudeger stand ein paar Schritte neben ihr und starrte ebenfalls nach unten.
»Was siehst du?«, fragte sie.
Er schien zu überlegen, ob die Frage eine Falle beinhaltete. »Die Baustelle«, sagte er schließlich unter Schulterzucken.
Sie stellte sich so dicht neben ihn, dass sie die Wärme spürte, die von ihm ausstrahlte. Die Nähe zu ihm hob ihr den Magen, aber sie ließ sich nichts anmerken. Ruhig legte sie ihm die Hand auf die Schulter und drehte ihn ein wenig herum. »Und jetzt?«
»Den Damm und die Blockade am Anfang das Kanals.«
»Beschreib es genauer.«
Er rollte sein gesundes Auge in ihre Richtung. Wenn er wie jetzt ernsthaft nachdachte und sein Gesicht nicht von dauerndem Hass verzerrt war, schimmerte ein Schatten seines früheren guten Aussehens durch die Narben und die Furchen der Entbehrung. »Den Damm, das Wasser und einen Riesenhaufen Treibholz!«
Sie drehte ihn wieder zurück. Er leistete keinen Widerstand. »Schön. Und jetzt?«
Er hatte bereits dazugelernt. »Den Abhang, Ella Kalp, die ihren fetten Hintern die nächsten paar Schritte hier heraufbewegt, die Baustelle, die Bauhütten, die angefangene Kirche, den Kreuzgang.«
»Lass die Dinge weg, die unerheblich sind.«
Sie sah, dass er es nicht verstehen würde. Sie hatte gewollt, dass er es aussprach, aber nun fügte sie sich darein, dass sie ihn mit der Nase würde daraufstoßen müssen. Im nächsten Moment fragte sie sich, warum sie das gewollt hatte. Es war ihr Plan. Rudeger war nur ihr Knecht.
Weil du damit den Lebensentwurf des einzigen Menschen zerstörst, der in den letzten beiden Jahren vorbehaltlos freundlich zu dir gewesen ist.
Sie zuckte in Gedanken mit den Schultern. Sie würde sich nicht von Sentimentalität aufhalten lassen. Im selben Moment spürte sie etwas in ihrem Leib, als habe das Kind darin sich bewegt. Ich werde deinen Vater zerstören , dachte sie, weil es die einzige Chance für dich ist, dem Teufel zu entgehen .
»Versprichst du mir, dass du es tun wirst?«, fragte sie.
Rudeger lachte freudlos. »Warum sollte ich dir etwas versprechen, von dem ich noch nicht mal weiß, was es ist, du Miststück?«
»Weißt du, warum ich in unserer Hochzeitsnacht keine Jungfrau mehr war?« Er wollte etwas sagen, aber sie schnitt ihm das Wort ab. »Es lag daran, dass ich als junges Mädchen von Lodewig, dem Gesellen von Meister Gerlach, vergewaltigt wurde. Du, Rudeger, hast etwas noch viel Schlimmeres getan. Lodewig hat meinen Körper einmal geschändet; du hast das Gleiche dreimal mit meiner Seele getan. Das erste Mal, als du nicht einmal meine Erklärung anhören wolltest, das zweite Mal, als du mir dein Messer in den Schenkel gestoßen hast, um Blut auf dem Laken zu haben, und das dritte Mal, als du mich für deine gescheiterten Pläne verpfänden wolltest. Du hast dir selbst zuzuschreiben, was aus dir geworden ist, und dennoch biete ich dir die Gelegenheit, Vergeltung zu üben an dem Mann, der sich dir gegenüber so hinterhältig verhalten hat wie du mir gegenüber. Wer hat nun die Aufgabe, ein Versprechen abzulegen?«
Rudegers Mund hatte stumm zu arbeiten begonnen. »Herrgott, warum hast du mir denn nie …?«, brachte er hervor.
»Versprich es mir, Rudeger.«
»Aber Constantia … wenn das so ist … ich wusste doch nicht … wenn das alles hier vorbei ist, vielleicht können wir dann noch einmal …«
»Rudeger«, sagte sie fast sanft, »du und Meffridus, ihr habt alles
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