Die Pforten der Ewigkeit
unseren naiven Vorstellungen von Asyl und dem Vermögen, mit dem wir es erkaufen wollten, waren für ihn beides.«
»Was war dieser Trumpf?«
Ramons seufzte. »Ich habe es nie erfahren.«
In die Gespräche platzte die Nachricht, der nach Lyon geflohene Papst habe ein Konzil einberufen und den Kaiser für abgesetzt erklärt. Bischof Konrad reagierte als Erster und sandte seine Soldaten in den Hildeboldsdom, und wenn sich nicht ein einzelner, tollkühner Mann ihnen entgegengestellt hätte, wäre ein Massaker daraus geworden wie in Bezers.
»Aber warum ausgerechnet er ?«, fragte Sariz. »Als ich ihn erkannte, dachte ich im ersten Augenblick, wir wären alle des Todes. Dabei hat er uns gerettet. Uns – seine größten Feinde.«
»Weil er dem Kaiser beweisen wollte, dass er der wertvollste seiner Verbündeten war. Weil er hoffte, dass wir uns von Kaiser Federico überreden lassen würden, ihm unser Vermögen zu übereignen. Und weil er …«
»… es für sich selbst wollte«, sagte Rogers zornig. »So ist es doch, oder?«
Ramons zuckte mit den Schultern. »Mir ist nie ganz klar geworden, was im Kopf Rudolfs von Habisburch vorgeht. Ich habe kaum einen tollkühneren Mann als ihn gesehen, und niemals einen grausameren. Sicher ist nur eines: Der Kaiser brach die Gespräche ab, weil er sich zunächst um die Belange des Reichs kümmern musste. Bischof Siegfried von Mainz und Bischof Konrad von Hochstaden hatten Heinrich Raspe als Gegenkönig auf den deutschen Thron gesetzt, und als er starb, folgte ihm Wilhelm von Holland. In Italien erhoben sich die Städte, ein Mordanschlag misslang, der König von Sizilien, des Kaisers Sohn Enzio, wurde vom Feind gefangen genommen, König Konrad, des Kaisers anderer Sohn, stemmte sich zuerst vergeblich gegen Wilhelm von Holland, während Prinz Manfredo versuchte, in Sizilien die Ordnung aufrechtzuerhalten …«
»Und der Schatz?«
»Der Schatz !« Ramons lachte unlustig. »Du weißt doch, was man Geld und Frauen nachsagt.«
»Dass sie selbst dem hässlichsten Mann Neider bescheren, wenn er nur genug davon hat?«
Rogers’ Vater lächelte flüchtig. »Nein – dass sie die beiden zuverlässigsten Dinge sind, um Freunde zu Feinden werden zu lassen.«
»Ihr habt euch wegen des Schatzes zerstritten?«
Ramons seufzte und wechselte einen Blick mit Sariz. Seine Frau nahm seine Hand. Rogers ahnte, dass der für seinen Vater schwierigste Teil des Gesprächs noch bevorstand. Ihm war beklommen zumute. Was würde Ramons ihm mitteilen? Dabei ahnte er bereits, was der Kern der Geschichte sein würde. Der Mord an Großinquisitor Pietro hatte ihn darauf vorbereitet. Er horchte den Worten seines Vaters hinterher, bis er auf die Aussage stieß, die das Problem vorwegnahm.
» Dir graute vor den Ideen des Kaisers, hast du gesagt!«, stieß er hervor. »Und den anderen …?«
»Wir haben immer gedacht, unser Glaube mache uns zu etwas Besonderem, zu den wahren Nachfolgern Christi. Weißt du noch, was wir vorhin gesprochen haben? Dass ich nicht länger der Meinung bin, ein Glaube sollte es von seinen Anhängern verlangen, die zu verlassen, die man liebt? Nun, ich verrate dir noch etwas, worüber ich in den vergangenen Jahren viel Zeit hatte nachzudenken.«
»Nämlich, dass auch wir bereit sind, zum Schwert zu greifen, wenn wir uns in die Ecke gedrängt fühlen oder meinen, dass es zu unserem Vorteil ist.«
»Es ist alles eine Lüge gewesen, Rogers. Keine so große wie die der Romkirche, aber doch eine Lüge und ein Verrat an Jesus Christus. Was haben unsere perfecti sich alles auferlegt, um die Vollkommenheit zu demonstrieren – Keuschheit und Armut und Askese und absolute Ehrlichkeit, die so weit geht, dass ein perfectus alle seine eigenen Pläne hintanstellen muss, wenn er etwas findet, das jemand verloren hat, bis er die Fundsache persönlich zurückgeben hat können. Und vor allem dies: Friedfertigkeit! Mein Vater wünschte sich nichts sehnlicher, als die Waffen niederlegen zu können, aber es war ihm nicht vergönnt. Nicht wegen des Kreuzzugs, den die Romkirche gegen uns geführt hat, o nein! Der eigentliche Grund war, dass die perfecti es ihm nicht erlaubten. Es hieß, einige müssten ihren Seelenfrieden opfern und kämpfen, damit all die anderen dem Glauben gemäß leben könnten! Wie konnte auch nur ein einziger perfectus sich anmaßen, ein solches Urteil zu sprechen, ohne selbst den Grundsätzen unserer Welt untreu zu werden? Und das alles weiß ich nicht, weil mein Vater es
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