Die Pforten der Ewigkeit
nicht nur den Freunden des Kaisers. Alles, was der Kaiser noch hatte, war ein schlagkräftiges Heer. Alles, was die fünf mächtigen Familien noch hatten, war das Vermögen, das sie vor dem Fall Montsegurs hatten retten können, zusammen mit den Geldern, die ihnen diejenigen übereignet hatten, die in Montsegur vom consolamentum direkt ins Feuer gegangen waren.
Im Frühsommer 1245 reisten sie mit ihren engsten Verbündeten nach Colnaburg. Kaiser Federico persönlich hatte sich für ihren Schutz verbürgt, und um zu unterstreichen, dass seine Gäste unantastbar waren, hatte er im Hildeboldsdom Asyl für sie erwirkt.
»Der Papst widerrief daraufhin das Absolutionsangebot, das er dem Kaiser gemacht hatte. Offiziell hieß es, des Kaisers Truppen hätten sich Übergriffe auf dem Territorium des Kirchenstaats erlaubt. In Wahrheit war es wegen der Gespräche zwischen uns und Kaiser Federico. Der Papst hatte in Bischof Konrad von Hochstaden einen eifrigen Spitzel. Der Kaiser hingegen hielt den Bischof damals immer noch für einen Freund.«
Rogers, Olivier, Arsius, Peire und Ramons sprachen mit dem Kaiser selbst. Er beeindruckte sie. Er bezauberte sie. Hier war ein Mann, dem man das consolamentum anbieten konnte, ohne dass er den üblichen langen Weg eines Gläubigen dorthin zurücklegen musste, weil er bereits die Weisheit eines Vollkommenen besaß. Hier war der Mann, unter dessen Schutz sich sogar ein mächtiger Fürst wie Ramons Trencavel stellen konnte, ohne sich dadurch gedemütigt zu fühlen. Hier war der Mann …
… der nur in einer Beziehung eine völlig andere Vorstellung hatte als seine Gesprächspartner.
Das Gold und Geschmeide hätte dazu dienen sollen, den Bonhommes eine neue Existenz zu ermöglichen, Landbesitz im Reich zu sichern. Vielleicht in Apulien, der Heimat des Kaisers? Vielleicht in Sizilien, seinem Augapfel? Doch Kaiser Federico wollte mehr, und er versuchte, den fünf Männern nahezubringen, dass es nur die eine Lösung gab.
»Ein neuer Kreuzzug«, sagte Ramons. »Ein Krieg gegen den wahren Ketzer, den Antichristen, den Verderber der Gläubigen. Kaiser Federico war überzeugt, dass es seine Aufgabe war, die Prophezeiung zu erfüllen, die in der Offenbarung des Johannes steht, und dass wir, die Bonhommes, zu ihm gekommen waren und ihm vermeintlich die Mittel dazu in die Hand gaben, bestätigte seine Überzeugung noch. Er wusste über unsere Traditionen so gut Bescheid wie wir selbst – und dass unser Glaube nur das Johannesevangelium anerkennt.«
»Und ich sah den Himmel offen« , zitierte Rogers, »und siehe, ein weißes Pferd, und der darauf saß, hieß der Treue und Wahrhaftige, der da richtet und streitet mit Gerechtigkeit.«
»Und die Heere, die im Himmel sind, folgten ihm nach auf weißen Pferden« , ergänzte Sariz.
Ramons nickte grimmig. »Der Jahrtausendkaiser. Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob Kaiser Federico selbst daran glaubte oder ob ihm lediglich bewusst war, wie sehr alle anderen daran glauben und er nur entschlossen war, die Zeichen der Zeit zu nutzen – die Korruptheit, die Falschheit und Machtgier des vergangenen und des gegenwärtigen Papstes, Angst und Aberglaube des Volkes, die Überzeugung, dass das Ende der Welt nahe sei und der Antichrist vielleicht schon unter uns wandle. Auf jeden Fall fühlte er sich berufen, der Fäulnis im Herzen des Reichs entgegenzutreten – der römischen Kirche. Papst Gregor und Papst Innozenz hatten ihm oft genug vorgeworfen, er sei der Antichrist. Ich denke, er wollte der Welt zeigen, wo der wahre Verächter saß, dass das Oberhaupt der Kirche ein Rasender sei, ein ungetreuer Mann, ein Priester, der sein Heiligtum besudelte, der ohne Gerechtigkeit gegen das Gesetz handelte.«
»Und Armageddon vom Zaun brechen«, flüsterte Sariz. »Gütiger Gott, das war mir damals nie klar.«
»Wir fünf hatten geschworen, die Gespräche geheim zu halten. Wir hätten es auch ohne diesen Schwur getan. Mir graute vor den Ideen des Kaisers. Und das Schlimmste daran war, dass sie nicht einmal wahnsinnig wirkten. Nein – ich war die ganze Zeit überzeugt, dass der Kaiser noch einen Trumpf in der Hinterhand hatte, einen, den er nicht einmal uns verriet, einen, der der Grund war, warum er den Wandel von Sinibaldo de Fieschi, als dieser Papst Innozenz geworden, scheinbar stoisch hingenommen hatte; weil er ihm, wenn die Zeit und die Gelegenheit gekommen waren, im Kampf gegen die Romkirche eine mächtige Waffe in die Hand geben würde. Wir mit
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