Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
Köpfen und Frauen mit bunt bestickten Kleidern fähig waren, wenn die richtigen Umstände zusammenkamen. Wie auch immer, zum ersten Mal seit Monaten war er aufgewühlt, so als habe er die Ankunft Hertwigs benötigt, um sich daran zu erinnern, dass auch er einmal Stolz gehabt hatte.
    Die Tragödie begann, als ihre öffentliche Demütigung schon beendet war, die Steine geflogen waren, die Dörfler Zeit gehabt hatten, sie anzuspucken. Ein junger Mann hatte versucht, auf Walter zu urinieren, aber in der Aufregung war nichts gekommen, und er war mit hochrotem Gesicht in der Meute untergetaucht. Rogers war dankbar gewesen, denn er hatte dem englischen Ritter angesehen, dass er, auch wenn er sich kaum etwas anmerken ließ, von Hertwig von Stalebercs Ankunft nicht weniger aufgerüttelt war als Rogers selbst. Vielleicht hätte Walter sich unter den veränderten Umständen diese Demütigung nicht gefallen lassen. Mit den ungefesselten Händen nach dem Burschen zu greifen und zumindest zu versuchen, ihm abzureißen, was er Walter vors Gesicht gehalten hätte, wäre die Tat eines Augenblicks gewesen. Und danach: vier gehäutete Körper, die in der Sonne trockneten …
    »Wacker gehalten«, murmelte Rogers zu Hertwig, nachdem das Schlimmste vorüber war. Der deutsche Ritter sah zu Boden, die Augen brennende Löcher in dem bleichen Gesicht. Die Leibwächter des Persers sammelten von den Zuschauern Münzen und kleine Schmuckstücke ein. Dann schnappte Hertwigs Kopf hoch.
    Aus einem der anderen Eingänge rund um den Platz kam ein Mann. Er gehörte nicht zu der weiß bekappten, mit dem langen gestreiften Hemd bekleideten Pächtervariante der Dorfbewohner, sondern trug die bunte Kleidung mit dem langen Mantel, die ihn als Herrn oder wenigstens als vermögend auswies. Zwei der üblichen finster blickenden Schwertträger begleiteten ihn. In ihrer Mitte stolperte eine schlanke Frau mit einem Strick um den Hals und einem zerrissenen Kleid. Es war Rogers sofort klar, dass es sich um Alice de Chacenay handeln musste, wenngleich er eine jüngere Frau erwartet hatte. Die Frau von Graf Guigues de Forez hatte grau durchsträhntes Haar, und ihre Schönheit schien eher von der herben Sorte gewesen zu sein … gewesen, denn man konnte nicht mehr viel davon erkennen. Ein Auge war blau geschlagen, das Gesicht verschwollen. Es war Rogers auch klar, was mit ihr geschehen war. Die Frauen der christlichen Ritter galten im alltäglichen Jargon des Hasses als Huren, und als eine solche war Alice de Chacenay behandelt worden. Sie schien von ihrem Schicksal wie betäubt. Ihre Blicke irrten umher. Als sie Hertwig streiften, ging ein Ruck durch sie, und sie blieb stehen. Der Anblick ihres Reisegefährten musste durch den Schock zu ihr durchgedrungen sein.
    Rogers packte Hertwig an der Schulter. »Du kannst ihr nicht helfen.« Er verachtete sich selbst dafür.
    »Oh, diese Verbrecher«, stammelte Hertwig. »Diese Verbrecher!«
    Rogers, der ähnliche Szenen gesehen hatte, nur dass die in Frage kommenden Frauen Ägypterinnen gewesen waren und am anderen Ende des Stricks feixende Kreuzfahrer gezogen hatten, verstärkte seinen Griff. Wenn man genau sein wollte, hatte er auch schon erlebt, dass an beiden Enden des Stricks Christen gewesen waren, nur dass die einen den anderen unterstellten, die Lehren des Teufels zu verbreiten.
    Ein paar von den Dörflern waren auf die Szene aufmerksam geworden. Finger zeigten, höhnisches Gelächter wurde laut. Die verhüllten Frauen des Dorfes begannen zu zischen.
    Der Schwertträger, der Alices Strick in den Händen hielt, gab diesem einen Ruck. Alice taumelte und fiel gegen ihn. Der reiche Mann, der sie offensichtlich als Sklavin erstanden hatte, gab ihr eine Ohrfeige.
    Rogers spürte einen Schlag gegen die Brust, dass er keuchte und hintenüberfiel. Bis er sich aufgerappelt hatte, war Hertwig schon auf halbem Weg zu Alice de Chacenay und ihren Peinigern.
    Die Dörfler, deren Selbsterhaltungstrieb gesund war, wichen Hertwig aus. Sie bildeten auch eine Gasse für Rogers, der verzweifelt und mit steifen Beinen hinter dem deutschen Ritter hertaumelte. Vor seinem inneren Auge spielte sich die Szene ab, wie Hertwig den Mann niederschlug, der Alice de Chacenay gekauft hatte, wie er und Rogers zu Boden gerungen wurden und wie man sie dann alle vier zum Dorf hinausschleppte, um sie zu töten. Er musste den jungen Mann erreichen, bevor es zu Tätlichkeiten kam. Hinter sich hörte er den Leibwächter herankeuchen, dem er entwischt

Weitere Kostenlose Bücher