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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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sie die kleine Szene beobachtet hatte, zogen seine Augen sich zu Schlitzen zusammen. Constantia erschauerte. Meffridus’ Gesichtszüge glätteten sich, und er lächelte sie an.
    Entsetzt wandte sie sich ab und sah das Stück Fleisch in ihrer Hand. Die Soße tropfte von ihren Fingern in ihre Handfläche, rann ihr Handgelenk hinunter und in ihren Ärmel. Sie ließ den Bissen fallen. Er fiel neben die Schüssel und landete auf dem Tisch. Alle starrten sie an.
    »Recht hat sie!«, rief Rudeger mit gekünstelter Fröhlichkeit in die Stille hinein. »Man nimmt nie das erste Stück! Meister, schneid etwas ab, das wirklich schmeckt!« Aber das Gelächter war spärlich.
    Constantia sank in sich zusammen. Wenn sie etwas im Magen gehabt hätte, hätte sie sich übergeben. Das Schlimmste war nicht einmal Meffridus’ rätselhafte Erbarmungslosigkeit oder die Verzweiflung der Zimmermanns. Das Schlimmste war, dass außer Constantia mindestens zwei Dutzend Leute diese Szene ebenfalls beobachtet haben mussten, aber alle außer ihr taten so, als wäre nichts geschehen.
    8.
WIZINSTEN
     

     
    Nach dem Missgeschick mit dem Bissen Fleisch vermochte Constantia überhaupt keine Freude mehr an ihrer Hochzeitsfeier zu empfinden. In jedem Nachbarn, der kam und ihr und Rudeger ein Geschenk überreichte, sah sie die verzweifelten Gesichter von Petrissa oder Volmar Zimmermann. Sie hörte sich danken und sah sich bescheiden den Kopf senken und fühlte sich erröten, wenn jemand bei der Geschenkübergabe einen anzüglichen Scherz machte, aber in Wahrheit war Constantia anderswo – im Land der Beklommenheit darüber, dass ihre ganze Stadt eine Komödie zu spielen schien, deren Handlung sie nicht erkannte, und in der Hölle der Furcht, dass sie die falsche Entscheidung für ihr Leben getroffen hatte, ohne je eine andere getroffen haben zu können.
    Der Musikant hatte sich endlich aufgerafft und erkannt, dass warme Füße zwar angenehm waren, aber nichts halfen, wenn man wegen erwiesener Tatenlosigkeit keinen Anteil am Hochzeitsmahl bekam und um seinen Lohn würde feilschen müssen. Er kurbelte an einer Drehleier und stampfte mit den Füßen. Constantia nahm die Musik vage als Lärm wahr.
    Der Geschenkereigen war vorüber. Guda Wiltin stand auf, umrundete den Tisch, baute sich vor dem jungen Paar auf und sah Constantia ins Gesicht. Constantia war ihrem Blick ausgewichen, seit sie das Fleisch angerührt hatte, weil die missbilligende Miene ihrer Mutter ihr den letzten Nerv geraubt hätte, doch nun musste sie ihren Blick erwidern. Zu ihrem Erstaunen schwammen Gudas Augen in Tränen der Rührung, und sie lächelte.
    »Den Schuh, junge Frau«, sagte sie laut. »Zieh ihn aus.«
    Constantia blinzelte und versuchte zu verstehen, was ihre Mutter von ihr wollte. Undeutlich fiel ihr ein, wie sie die Zeremonie mindestens ein Dutzend Mal geprobt hatten. Aber was sie geprobt hatten, war wie weggeschwemmt. Einen irren Augenblick lang dachte sie, ihre Mutter würde ihren neuen, für die Hochzeit angefertigten Schuh nehmen und ihn Meffridus Chastelose bringen, eine Abgabe dafür, dass er die Hochzeit mit seiner Gegenwart beehrte. Alles in ihr begehrte auf, und gleichzeitig krampfte sich ihr Herz vor Angst zusammen.
    Rudeger stieß sie in die Seite.
    »Schläfst du?«, zischte er. »Was ist bloß mit dir los? Der Schuh …!«
    Plötzlich fiel es ihr wieder ein. Hastig zog sie sich einen Schuh aus und reichte ihn ihrer Mutter. Die Sohle war mit dem Dreck der Straße verklumpt; ein Batzen fiel herunter und auf das weiße Leinen des Tischtuchs direkt vor Constantia. Instinktiv wischte sie ihn weg und hinterließ eine Schmutzspur. Die Erde war braunrot und nass. Der Fleck sah aus wie altes Blut.
    »Durch Gottes Gnade und durch meinen Wunsch …«, begann Guda und hob den Schuh hoch, so dass alle ihn sehen konnten. Constantia aber starrte bestürzt auf den Schmutzstreifen vor ihrem Platz. »… möge eure Ehe mit Reichtum gesegnet sein!« Sie hob eine Goldmünze hoch. Die zunächst Sitzenden atmeten ein. Normalerweise wurde ein Pfennig überreicht, und den mussten die meisten Brauteltern sich vom Mund absparen.
    Guda legte die Goldmünze in den Schuh und reichte ihn Constantia zurück. Constantia saß mit hängenden Armen da.
    »Nimm ihn!«, zischte Rudeger. »Heilige Einfalt, was soll das? Hat man dich ausgetauscht?«
    Constantia nahm den Schuh entgegen und schlüpfte hinein. Ihr war wieder eingefallen, wie die Zeremonie weiterging. Sie wollte es nicht tun. Vor

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