Die Pforten der Ewigkeit
leichten Mäntel, wie ihn auch der Dorfheld getragen hatte, und zog ihn Rogers an. Ohne noch ein Wort zu verlieren, setzten sie sich in Marsch. Der Perser trat beiseite, die Meute der Dörfler bildete eine Gasse. Rogers und seine Befreier marschierten ohne Eile über den Platz zu einer der Hütten, in deren Schatten eine Handvoll Pferde stand, bewacht von einem Mann mit einer gespannten Armbrust. Rogers renkte sich den Hals aus, um nach Walter und Godefroy zu sehen, und erblickte sie am anderen Ende des Platzes, wieder gefesselt und bewacht. Er konnte ihre Gesichter nicht erkennen. Er öffnete den Mund, um ihnen zuzurufen, aber der Mann, der ihn freigekauft hatte, gab ihm einen Stoß in den Rücken.
»Keine Verzögerungen mehr!«
»Aber …«
»In ein paar Augenblicken werden die Leute hier erkennen, dass sie außer Beulen und ausgeschlagenen Zähnen nichts gehabt haben von diesem Tag. Dann werden Steine fliegen – und ich habe keine Lust, zu unserer Verteidigung ein paar Dörfler in Stücke hacken zu lassen, weil du unseren Abmarsch aufhältst!«
»Sie sind meine Freunde!«
»Da irrst du dich. Aufsitzen – los!«
Verwirrt und steifbeinig kletterte Rogers in den Sattel. Seine Blicke suchten nochmals nach Walter und Godefroy. Er hatte den Eindruck, dass sie hinter ihm herstarrten, aber die Entfernung war zu groß … und der Umstand, dass seine Augen plötzlich schwammen. »Viel Glück!«, flüsterte er. Dann folgte er den Männern, die ohne weiteren Abschied aus dem Dorf sprengten.
»Wie heißt du überhaupt?«, rief er über das Hufgetrommel seinem Retter zu, der neben ihm galoppierte.
»Nenn mich al-Mala’ika!«
Rogers überlegte ein paar Augenblicke. »Das heißt ›Engel‹ auf Ägyptisch!«
»Bin ich nicht dein Schutzengel?«
Rogers starrte sein Gegenüber an. Der Mann grinste über das ganze Gesicht. Rogers hatte selten ein Lächeln gesehen, bei dem einem so kalt ums Herz werden konnte, wie ihm es auf einmal wurde.
Sie galoppierten auf dem Weg zurück, den sie zuvor mit dem persischen Händler gekommen waren – der Beweis, dass al-Mala’ika und seine Männer Rogers’ Spuren gefolgt waren. Niemand verfolgte sie, niemand begegnete ihnen.
Keiner der Männer sprach Rogers mehr an. Es machte ihm nichts aus. Er hatte genug mit sich selbst zu tun. Zu frisch war die Erinnerung noch in seinem Herzen, die seine Beinahe-Hinrichtung ausgelöst hatte. Der Kampf unter den Mauern von Carcazona … Rogers wäre tot gewesen, wenn nicht im selben Moment, in dem der rote Ritter den Dolch gezogen hatte, Graf Ramons herangetaumelt wäre, das Schwert in den Händen. Der rote Ritter war fluchend aufgesprungen, hatte einen Streich mit dem Dolch pariert und die Klinge dabei verloren, hatte sich umgewandt und war über das Schlachtfeld davongerannt. Ramons hatte ihn nicht verfolgt. Er war vor seinem Sohn stehen geblieben, hatte die Klinge aus dem sterbenden Pferd gezogen, die Rogers’ Waffenrock dort festgehalten hatte, hatte seinen Sohn auf die Beine gezogen, ihn umarmt, war mit ihm vor dem Leichnam Jung-Ramons’ auf die Knie gesunken, und dann hatten beide zu schluchzen begonnen. Es war nicht Rogers’ letzter Kampf geblieben, o nein! Wenn man sich erst einmal einen Schritt von der Vollkommenheit entfernt hatte, ging sich der restliche Weg beinahe wie von selbst.
Das Ziel erreichten sie kurze Zeit später abseits der Straße: ein behelfsmäßiges Lager unter einer Gruppe Zedern, bestehend aus einem Zelt, einem improvisierten Pferch für die Pferde und Bogenschützen an den vier Ecken eines gedachten Perimeters um das Lager herum, die Pfeile vor sich in den Boden gesteckt hatten und so aussahen, als könnten sie ein kleineres Heer Mameluken eine ganze Weile lang beschäftigen. Im Pferch standen fünf Pferde – vier der eleganten, schlanken Tiere, für die das Morgenland berühmt war und die den vier Bogenschützen gehören mussten, sowie ein schwerfällig wirkender, riesenhafter Kaltblüter. Rogers starrte ihn an, während er von seinem Gaul stieg und die Zügel einem seiner Begleiter überließ. Kaltblutpferde waren für diese Gegend ungewöhnlich, und seiner Aufmachung, dem Zaumzeug und dem schweren ledernen Geschirr auf seinem Rücken war anzusehen, dass es von jenseits des Meeres stammte – aus der Heimat. Unter anderen Umständen hätte Rogers Erleichterung gefühlt: Der Besitzer des Pferdes schien ein Abgesandter von zu Hause sein, entweder direkt von seinem Vater oder aus der Vizegrafschaft
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