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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Das Entscheidende ist, dass man den Namen im Herzen trägt und nicht auf dem Schild .
    »… oder hat dein Vater der schönen Sariz de Fois noch einen Sohn geschenkt nach der Geburt der holden Adaliz?«
    Rogers kehrte in die Gegenwart zurück. Er vermisste seine Familie plötzlich so sehr, dass es ihm die Luft abschnürte. »Ich glaube nicht, dass die Namen meiner Mutter und meiner Schwester in diesem Zelt genannt werden müssen.«
    Guilhelm holte tief Luft, aber diesmal nicht, um zu brüllen. Seine Stimme war heiser, als er sagte: »Ich will dir sagen, aus welchem Grund ich sie genannt habe. Damit du verstehst, warum ich dich habe gefangen nehmen lassen.«
    »Ihr werdet nicht einmal über meine Leiche an sie herankommen!«
    »Natürlich nicht. Schon gar nicht, wo dein Vater sich König Louis unterworfen und seine Familie unter seinen Schutz gestellt hat – bevor er sie in irgendeinem Versteck untergebracht hat, das vermutlich nur er selbst kennt. Oh … hast du das gar nicht gewusst?«
    Rogers gab sich Mühe, nicht auf die überraschende Eröffnung zu reagieren. Guilhelm musste trotzdem ahnen, welchen Stich Rogers verspürt hatte. Sein Verstand sagte ihm, dass sein Vater umsichtig gehandelt hatte, sein Herz aber blutete und wand sich bei der Vorstellung, dass Graf Ramons seinem einzigen Sohn nicht vertraute – sich ihm nicht anvertraut hatte in all den Monaten, die sie auf dem Kreuzzug zusammen gewesen waren, bis die Katastrophe von al-Mansurah sie getrennt hatte.
    »Vielleicht ist ja auch die Geschichte von der Flucht deiner Mutter und deiner Schwester bei Nacht und Nebel nur ein Furz im Wind, damit die letzten Unverbesserlichen nicht den Glauben an die Sache verlieren? Hm? Vielleicht sind sie in Wahrheit einfach so … verschwunden, wie so viele von uns …«, Guilhelm räusperte sich erbittert, »wie so viele von den Ketzern verschwunden sind. Und danach wurde stets erzählt, es sei ihnen die Flucht gelungen – nach Aragonien, nach Italien, nach sonst wohin. Aber ich erinnere mich, dass die gleichen Geschichten erzählt wurden, als die Verfolgungen im Reich begannen – über die Geflohenen, die irgendwo im Exil ein Heer um sich sammelten, um die Rechtgläubigen zu retten. Die Rechtgläubigen im Reich wurden nicht gerettet. Und die Retter sind niemals wieder aufgetaucht. Man kann sich so seine Gedanken machen darüber, meinst du nicht? Machst du dir Gedanken über deine Mutter und deine Schwester?«
    »Selbst König Louis würde sich schämen, wenn er Euch reden hörte.«
    Guilhelm grinste verächtlich. »Der König – wen interessiert der König? Der König tut das, was die Romkirche ihm befiehlt, und die Romkirche befiehlt vor allem, dass keiner gefoltert werden darf, der in ihre Fänge gerät. Ecclesia abhorret a sanguine  – hast du das schon mal gehört? Sie scheuen das Blut, aber sie verbrennen dich bei lebendigem Leib, wenn du blöd genug bist zu gestehen, dass du ein Ketzer bist. Sehe ich so aus, als sei ich nicht gefoltert worden? Ich will dir was erzählen, mein Junge. Währenddessen stellst du dir deine Mutter und deine Schwester vor. Siehst du sie? Nun gut …«
    Rogers hörte mit immer eisiger werdendem Entsetzen zu, als Guilhelm de Solers Stimme ihn zu einem Ort führte, an dem er noch nie gewesen war und an den zu gelangen er seinem ärgsten Feind nicht wünschte. Hatte er gedacht, die Monate in der Gewalt des persischen Händlers seien die Hölle gewesen? Oder mitsamt dem ganzen Kreuzzugsheer in wilder Flucht vor den Mameluken davonzurennen? Oder die gehäuteten Körper toter Tempelritter von ihren Schandkreuzen zu nehmen und sie zu verscharren? Es gab eine Hölle, die noch viel schlimmer war als alles, was er hier hatte durchmachen müssen, eine Hölle, in die nicht einmal der Teufel sich wagte, vor allem, weil schon einer darin war und dort regierte: der Gott des Alten Testaments.
    »Sie ziehen dir die Gelenke aus den Pfannen und schieben dir brennende Kienspäne unter die Fingernägel«, erzählte Guilhelm de Soler, und es gelang ihm beinahe, seine Stimme unbeteiligt wirken zu lassen, aber die Tatsache, dass er »dein Gebrüll« und »dein vergebliches Flehen um Gnade« sagte statt »mein«, sprach Bände. »Die ganze Zeit über versprechen sie dir Erlösung; die Erlösung deiner Seele nach dem Tod und die Erlösung deines Körpers von den Schmerzen im Leben, wenn …«
    »… du deine Freunde und Glaubensbrüder verrätst«, sagte Rogers heiser.
    Guilhelm reagierte nicht

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