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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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darauf.
    »Nach einer Weile – du weißt zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, ob Stunden oder Tage oder Jahrzehnte vergangen sind – tragen sie dich in eine Zelle. Sie tragen dich, wohlgemerkt: Gehen kannst du nicht mehr. Dort lassen sie dich durch eine Klappe in einen Raum spähen. In diesem Raum befindet sich – hast du die Gesichter deiner Mutter und deiner Schwester vor Augen, mein Junge? –, in diesem Raum befindet sich deine Familie. Deine Söhne, deine Töchter, deine Frau. Dir wird klar, dass sie schon länger dort gefangen gehalten werden und dass ihre Zelle unterhalb der Kammer liegt, in der du die letzten Stunden, Tage, Jahrzehnte verbracht hast, und dass sie dich brüllen gehört haben …«
    Rogers starrte in das aufgeschwemmte, verwüstete Gesicht seines Gegenübers. Sein Herz schlug so heftig, dass seine Rippen schmerzten. Er sah nicht die Gesichter Sariz’ oder Adaliz’ vor Augen, sondern Guilhelm de Solers Familie. Natürlich hatte er sie alle gekannt. Mit Guilhelms Söhnen hatte er gespielt und gerauft, Guilhelms Frau zugehört, wenn sie sang, Guilhelms Töchter an den Zöpfen gezogen oder durch die Wiesen gejagt. Es hatte geheißen, sie wären nach dem Tod Guilhelms über die Berge geflohen zu Verwandten in Kastilien. Ramons Trencavel hatte vergeblich versucht, sie zu finden, als er in Aragonien im Exil gewesen war. Was immer die Gerüchte über Guilhelm de Soler und die Seinen gesagt hatten, es waren offensichtlich Lügen gewesen.
    »Dann sagen sie dir, dass du deiner Familie das ersparen kannst, was sie dir angetan haben, wenn du dich und sie in ihrem Glauben taufen lässt und wenn du dafür sorgst, dass alle Irrgläubigen, die du kennst, ebenfalls in den Genuss der Taufe kommen. Dazu musst du ihnen natürlich die Namen verraten und wo sie sich versteckt halten. Stellst du dir deine stolze Mutter und deine niedliche Schwester vor, mein Junge? Wie sie geschoren werden, wie man ihnen die Kleider vom Leib reißt und den Marterkittel anzieht und sie auf …«
    »Es reicht«, sagte Rogers tonlos. »Und wenn Ihr es wissen wollt: Ich habe schon genug, wenn ich mir Eure Frau und Eure Töchter dabei vorstelle. Ich habe Euch und die Euren immer als einen Teil meiner eigenen Familie angesehen.«
    Guilhelms Augen wurden schmal. Eine Weile pfiff der Atem heftig durch seine Nase, und seine nutzlose rechte Hand zuckte. Dann räusperte er sich.
    »Unter diesen Umständen plauderst du natürlich alles aus, was du weißt«, sagte er im Gesprächston.
    Rogers antwortete nicht.
    Guilhelms Gesicht rötete sich so schnell, als habe ihn jemand mit Farbe überschüttet.
    »Falsch!«, brüllte er. »Weißt du, wann du anfängst zu plaudern? Wenn sie dir sagen, dass selbstverständlich dann auch für dich der Schmerz zu Ende ist! Und du bist auch noch dankbar. Du fühlst nichts als Dank für den Mann, der die Macht hat, den Schmerz zu beenden!« Er sank schweratmend in sich zusammen.
    Rogers hatte das Gefühl, dass sein Magen ihm in die Kehle stieg. Er wusste nicht, was ihm mehr zu schaffen machte: der Ekel, den er vor Guilhelm empfand, oder der Selbstekel, den er in dem Mann spüren konnte.
    »Und deshalb«, flüsterte Guilhelm, »habe ich es auf mich genommen, den einen Mann, auf den es ihnen am meisten ankam und der sich nicht fassen ließ, persönlich zu suchen und zurückzubringen. All die Gläubigen, all die perfecti unserer Welt haben Ramons immer als Garanten ihrer Freiheit betrachtet. Ist das nicht witzig, mein Junge? Sogar für mich und meine Familie hat er diese Bedeutung. Aber er ist uns zuvorgekommen, indem er sich König Louis unterworfen hat, und nach allem, was ich herausgefunden habe, ist er nach dem Zusammenbruch des Kreuzzugs wieder in die alte Heimat gelangt und hält sich irgendwo versteckt. Aber dich habe ich, mein Junge, und wenn ich dich zurückbringe und sie erst einen großen Scheiterhaufen für dich errichten, wird dein Vater schon aus seinem Versteck hervorkriechen und versuchen, dich zu retten.«
    »Das ist es? Ihr wollt meine Familie und mich der Inquisition ausliefern wie all die anderen, die Ihr verraten habt?«
    Giulhelm de Soler nestelte in den Falten seines Gewandes. Endlich fand er, was er gesucht hatte. Seine Linke hielt es in die Höhe. Es war ein Fetzen. Er ließ zu, dass der Fetzen sich entrollte. Rogers hielt den Atem an. Vor seinem inneren Auge sah er ein verschwitztes Gesicht, an dem die Schminke rot, schwarz und weiß herunterlief.
    »Die Inquisition?«, sagte Guilhelm.

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