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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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hinzuzufügen? Was hatte er gewollt, das damit gemacht wurde!? Heilige Jungfrau, das würde ich nie tun …!
    Das Problem war … nun … das Problem war …
    Mit dem Fortgang der Feier nach Meffridus’ Abschied hatte sich eine immer eisiger werdende Kälte in Constantias Unterleib ausgebreitet. Sie hätte beichten sollen, sie hätte ihre Seele erleichtern sollen – doch was sollte es nützen in der Situation, die ihr bevorstand? Würde es Rudiger besänftigen, wenn sie sagen könnte: Ich habe aber die Absolution dafür erhalten?
    Nun trug sie jeder Schritt über den durchweichten Boden dem Augenblick näher, an dem sie würde Farbe bekennen müssen.
    Dem Brauch zufolge hatte Rudeger die Prozession zu seinem Hause angeführt. Constantia, umgeben von drei ihrer Freundinnen – sechs wären Tradition gewesen, aber so viele Freundinnen hatte Constantia beim besten Willen nicht benennen können –, bewegte sich in der Mitte des Zuges. Mittlerweile hatte dieser sich reichlich auseinandergezogen, weil Rudeger vorne ungeduldig vorausgeschritten war, während Constantia in der Mitte immer langsamer ging und sich wünschte, sie würde erst in hundert Jahren vor ihrer Haustür ankommen. Sie beobachtete ihre Begleiterinnen aus den Augenwinkeln, hörte ihr Lachen, sah ihre roten Wangen. Was wisst ihr schon? , dachte sie, wie sie es auch damals oft gedacht hatte in den stickigen, feuchten Stunden im Heuschober. Wie man sich hier massierte und dort rieb und was die Zungen zu tun hatten, wenn sich zwei Lippenpaare aufeinanderpressten, war ihr zwar neu gewesen – wozu es in der Regel führte, jedoch nicht. Sie hatte so wie die anderen gekichert; welche Erinnerungen in ihr aufblitzten, wenn sie die Berührungen und Küsse der Freundinnen spürte und genötigt wurde, ihrerseits zu berühren und zu küssen, hatte sie sich jedoch nicht anmerken lassen. Am Ende der Erinnerungen stand ein leeres, dunkles, lebloses Haus, und genau von dieser Art waren die Empfindungen, die das neugierige Gefummel stets in ihr zurückgelassen hatte. Die anderen Mädchen sahen heute so ähnlich aus wie damals im Heuschober – glänzende Augen, feuchte Lippen, offene Münder. Constantia fühlte sich umso kälter.
    Da vorne war ihr Elternhaus. Constantia musste sich zwingen, weiterzugehen. Der Tradition gemäß würde sie noch einmal dorthin zurückkehren; eine Woche später. Sie würde mit ihrer Mutter zusammen ein neuerliches Festmahl ausrichten, an dem nur das Brautpaar und die Verwandten und Freunde des Hauses Wilt teilnahmen, um so den Dank der Tochter dafür auszudrücken, dass man sie erfolgreich auf das Leben vorbereitet hatte. Ein paar Tage später würde sie das Elternhaus endgültig verlassen und ein Gast, ein Fremder sein, wenn sie es wieder betrat.
    Oder würde sie schon morgen wieder daheim sein, von ihrem Ehemann verstoßen, die Schande der Eltern und das Gespött der Stadt?
    Vor Rudegers Haus standen die Hochzeitsgäste und warteten auf den vorletzten Akt der Feier; die Frauen zweifellos wie die Habichte darauf achtend, ob sich Constantia eine Blöße geben und ihre Nervosität zeigen würde, während die Männer sich mit glasigen Augen vorstellten, wie es wäre, diese kühle Schönheit aus ihrem prächtigen Gewand zu schälen, sie zu besteigen und das Siegel zu brechen. Constantia blieb stehen. Erst als ihre Brautjungfern mit dick aufgetragener Sorge um sie herumflatterten, fiel ihr ein, dass sie aus Versehen das Richtige getan hatte. Das Ritual wollte, dass die Braut so tat, als ängstige sie sich vor dem Schritt über die Schwelle. Der Bräutigam verbarg sich derweil irgendwo im Haus und ließ sich nicht blicken, und die Freundinnen der Braut versicherten lautstark, dass diese nichts zu befürchten habe, denn der Gatte sei plötzlich verreist. Constantia fühlte sich nicken und befahl ihren Beinen, weiterzugehen, als die Gäste den Zugang zur Haustür freigaben. Sie hörte, wie eine von ihren Brautjungfern ihr ins Ohr hauchte: »Mach einen Ritt für mich mit!«, ohne unterscheiden zu können, wer es gewesen war. Rudeger war stattlich und der Schwarm vieler Mädchen in Wizinsten. Zu anderen Zeiten hätte sie die Frivolität unpassend gefunden; im Augenblick wünschte sie nur, sich umdrehen und antworten zu können: »Warum tust du es nicht gleich selbst für mich? Du würdest mir einen Gefallen erweisen …«
    Sie trat ein. Das Haus roch fremd. Räucherduft hing in der Luft; jemand hatte Kräuter verbrannt, um das Heim für die

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