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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Limoux, die Ramons Trencavel nach seiner Unterwerfung unter König Louis zum Ausgleich für die Herrschaft über Bezers erhalten hatte. Aber das Verhalten seines Befreiers war zu abweisend, und er schien die Tatsache nicht zu kennen, dass der Name Trencavel nur denjenigen Erben der Familie vorbehalten war, die den Vornamen Ramons trugen. Wer immer al-Mala’ika den Namen des Mannes genannt hatte, den er retten sollte – es war kein Trencavel gewesen.
    »Nach dir«, sagte al-Mala’ika mit einer spöttischen Verbeugung und deutete auf das Zelt.
    Rogers stapfte in ein Vorzelt, in dem die Sättel der fünf Pferde gelagert waren – und ein seltsamer hölzerner Käfig, dessen eine Seite, Boden und Deckel fehlten. Unwillkürlich zögerte er, doch dann straffte er sich, und, gefolgt von al-Mala’ika und zweien seiner Männer, trat er in das Hauptzelt und begegnete dort einem Geist.
    10.
NEBEN EINER HANDELSSTRASSE IN TERRA SANCTA
     

     
    »Ich würde aufstehen, wenn ich könnte«, sagte der fettleibige Mann in dem Sessel. »Sei mir gegrüßt, mein Junge.«
    Wenn es stimmte, dass der Geist sich seine Hülle baute, dann musste beim Anblick des Mannes dem Ekel tiefstes Mitleid folgen. Der Geist, der diesen Körper erschaffen hatte, schrie lautlos nach Erlösung. Rogers blinzelte. Der Gestank war – monumental. Er konnte nicht anders, als zu dem Rinnsal zu blicken, das vom Sessel auf den Boden tropfte. Die Augen des Mannes folgten seinem Blick und hoben sich dann wieder zu ihm.
    »So ist das«, sagte der Mann, »wenn man den Verteidigern des angeblich wahren Glaubens lebend entkommen ist. Wobei ich den Ausdruck ›lebend‹ nur in weitestem Sinn gebrauchen möchte. Schockiert, mein Junge? Warte nur, bis die Scheiße kommt. Die kann ich genauso wenig zurückhalten.«
    Al-Mala’ika faltete die Hände vor dem Gesicht und vollführte eine knappe Verbeugung. »Die Beute – wie versprochen.«
    »Er sieht zerzaust aus.«
    »Man wollte ihn gerade kreuzigen. Ich bin sozusagen im letzten Moment dazwischengekommen.«
    »Dazwischengekommen?«
    »Bevor er all die erschlagen hätte, die ihn kreuzigen wollten.« In al-Mala’ikas Stimme war die Andeutung eines Lächelns zu hören. Es brachte Rogers dazu, seine Stimme wiederzufinden.
    »Wir dachten, Ihr wärt tot«, stieß er hervor.
    Der Mann im Sessel seufzte und schüttelte den Kopf. »Das ist die falsche Gesprächseröffnung, mein Junge. Bei so einem Anblick sagt man: ›Was ficht Euch an, Oheim?‹ Noch nie gehört? Das stammt aus einem Lied, nach dem sie alle ganz verrückt sind. Mit ›sie alle‹ meine ich die Romchristen. Das Lied handelt von einem Narren namens Parzival. Du solltest es dir anhören. Na, vielleicht bekommst du noch genauso viel Gelegenheit dazu wie ich.«
    Rogers’ Gedanken gerieten in seinem Gehirn ins Stolpern. Der Mann im Sessel war – auch wenn er im ersten Augenblick beinahe unkenntlich gewesen war – Guilhelm de Soler, der einstmals beste Freund und Verbündete von Graf Ramons Trencavel, der an die Inquisition verraten worden und nicht wieder aus ihren Verliesen aufgetaucht war. Den alle für tot gehalten hatten.
    »Wenn Papa wüsste, dass Ihr noch am Leben seid …«, sagte er das Nächstbeste, was ihm in den Sinn kam.
    »Wir haben uns alle Mühe gegeben, es ihm mitzuteilen. Nicht wahr, mein Freund?« Guilhelm blickte zu al-Mala’ika, und dieser zuckte mit den Schultern. »Wir haben die Leichengruben bei Al-Mansurah durchsucht, das Schlachtfeld vor dem Bargh-as-Sirah und die Gefangenenlager der Mameluken. Wenn ich ›wir‹ sage, meine ich natürlich meinen Freund hier, der für mich Arm und Bein ist.« Al-Mala’ika nickte knapp. Guilhelm runzelte die Stirn. Erneut übertönte Uringeruch die Duftmischung im Zelt. »Ich wollte, er könnte auch für mich auf den Abtritt gehen, aber das ist vermutlich zu viel verlangt.«
    »Ihr habt meinen Vater gesucht?«
    »Das rot-silberne Trencavel-Banner mit dem Hermelinmuster haben wir gefunden – zerfetzt und schmutzig inmitten anderen Krempels, den nicht einmal der stinkendste Sklave im Mamelukenheer wollte. Dein Vater muss es zurückgelassen haben. So, wie er immer alles im Stich gelassen hat, wenn es brenzlig wurde.«
    »Mein Vater hat niemals …«
    »So wie er immer alles im Stich gelassen hat!«, brüllte Guilhelm plötzlich. Sein aufgedunsener Körper bäumte sich im Sessel auf, und er drosch mit der linken Faust auf die Armlehne. Der rechte Arm rutschte ab und baumelte kraftlos neben der Lehne.

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