Die Pforten Des Hades
Das Lebensnotwendige nehmen sie sich von den Feldern und den Menschen, die sie bestehlen, aber für Luxus haben sie keine Verwendung. Alles wird geteilt. Spartacus glaubt, daß Geld seine Krieger nur korrumpieren würde. Wie könnte er all die kleinen Münzen und Schmuckstücke, die er angehäuft hat, besser nutzen, als sie aus seinem Einflußbereich hinauszuschmuggeln im Tausch gegen Gegenstände, die er und seine Soldaten wirklich brauchen - Gegenstände wie Schwerter, Schilde, Helme und Speere?«
Crassus dachte lange nach. »Doch es kann nicht Lucius gewesen sein, der sie vom Pier geworfen hat«, wandte er ein. »Du hast mir eben erzählt, daß du gehört hast, wie sie in der Nacht nach deiner Ankunft ins Wasser geschmissen wurden. Du hast gesagt, daß der Täter dich angegriffen und versucht hat, dich zu ertränken. Das war bestimmt auch nicht Lucius, es sei denn, du glaubst, sein Schatten hätte dir in jener Nacht auf dem Pier aufgelauert.«
»Nicht sein Schatten, aber vielleicht sein Partner.«
»Ein Partner? Bei einem derartig widerwärtigen Unternehmen?«
»Vielleicht auch nicht. Vielleicht war Lucius an der ganzen Sache unschuldig, und sie wurde nur direkt vor seiner Nase durchgezogen - ohne sein Wissen. Vielleicht hat er etwas herausgefunden und wurde deshalb getötet.«
»Die Nase meines Vetters warf einen beträchtlichen Schatten, aber doch nicht lang genug, um ein derartiges Geschäft zu verstecken. Und warum bestehst du darauf, diese Entdeckung mit seinem Tod in Zusammenhang zu bringen? Du weißt genauso gut wie ich, daß er von den beiden entflohenen Sklaven, Zeno und Alexandras, ermordet wurde.«
»Glaubst du das wirklich, Marcus Crassus? Oder paßt es dir nur so gut in deine eigenen Pläne, daß du dich weigerst, eine andere Möglichkeit in Betracht zu ziehen?« Die Worte sprudelten aus mir heraus, lauter und schärfer, als ich beabsichtigt hatte. Crassus wich zurück. Die Tür ging auf, und der Wachmann blickte herein. Ich trat ein paar Schritte von Crassus zurück und biß mir auf die Zunge.
Crassus entließ den Wachmann mit einer abwinkenden Geste. Er verschränkte die Arme und ging im Zimmer auf und ab. Schließlich blieb er vor einem der Regale stehen und starrte auf die gestapelten Rollen.
»Es fehlen mehr als nur ein paar Dokumente aus Lucius Büchern«, sagte er langsam und bedächtig. »Das Logbuch, in dem sämtliche Fahrten der Furie in diesem Sommer verzeichnet sein sollten, eine Inventarliste ihrer Fracht...«
»Dann laß den Kapitän des Schiffes oder jemanden von der Mannschaft rufen.«
»Lucius hat den Kapitän und die Mannschaft erst kurz vor meiner Ankunft entlassen. Warum, glaubst du, habe ich das Schiff mit Mummius und meinen eigenen Leuten bemannt, um dich holen zu lassen? Ich habe Boten ausgesandt, die in Puteoli und Neapolis nach dem Kapitän suchen sollen, bisher ohne Erfolg. Aber auch so gibt es Beweise, daß Lucius das Schiff benutzt hat. «
»Welche Dokumente fehlen sonst noch?«
»Belege für alle möglichen Ausgaben. Ohne den ursprünglichen Bestand zu kennen, ist es unmöglich zu sagen, was jetzt fehlt.«
»Dann sind meine Vermutungen also nicht völlig abwegig, oder? Lucius Licinius könnte ohne dein Wissen geheime Geschäfte betrieben haben. Verräterische Geschäfte.«
Crassus schwieg lange Zeit. Dann sagte er nur: »Ja.«
»Und außer uns beiden weiß noch jemand davon, weil er versucht hat, Beweise zu vernichten, indem er die Waffen und die Beute im Wasser versteckte, genauso wie jemand das Blut von der Statue gewischt hat, mit der Lucius ermordet wurde -dieselbe Person, die auch die belastenden Unterlagen gestohlen hat. Ist es nicht sehr viel wahrscheinlicher, daß diese Person auch für Lucius Tod verantwortlich war, und nicht zwei harmlose Sklaven, die plötzlich beschlossen haben, zu fliehen und sich Spartacus anzuschließen?«
»Beweise es!« sagte Crassus und wandte mir den Rücken zu.
»Und wenn ich das nicht kann?«
»Du hast noch immer einen Tag und eine Nacht, deine Arbeit zu erledigen.«
»Und wenn ich scheitere?«
»Dann wird Gerechtigkeit geschehen. Die Rache wird kurz und schrecklich sein. Ich habe es bei der Bestattung gelobt, und ich habe vor, mein Gelübde zu halten.«
»Aber Marcus Crassus, es geht um den Tod von neunundneunzig unschuldigen Sklaven, zu keinem Zweck -«
»Alles, was ich tue«, sagte er langsam, jedes Wort betonend, »hat einen Zweck.«
»Ja, ich weiß.« Ich senkte geschlagen das Haupt. Ich versuchte, einen
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