Die Pforten Des Hades
Nickerchen zu halten.
»Was hast du verloren?« fragte Apollonius und blickte in das klare Wasser zwischen zwei Booten.
»Ich habe nicht direkt etwas verloren...«
»Aber wonach soll ich suchen?«
»Ich weiß es nicht genau. Nach etwas, das schwer genug ist, ein lautes Platschen hervorzurufen. Vielleicht auch mehrere Gegenstände.«
Er sah mich skeptisch an und zuckte die Schultern. »Das Wasser könnte klarer sein, aber ich vermute, daß der meiste Schlamm, den die ankommenden Boote aufgewirbelt haben, sich mittlerweile wieder gesetzt hat. Außerdem könnte ich mehr Sonnenlicht gebrauchen; all die miteinander vertäuten Boote werfen einen großen Schatten auf den Grund. Aber wenn ich irgend etwas entdecke, was nicht dort liegen sollte, bringe ich es dir.«
Er löste den Gürtel seiner Tunika und streifte sie ab, dann zog er seine Untertunika aus und stand nackt da. Sein zerzaustes Haar glänzte blauschwarz in der Sonne, während vom Wasser widergespiegelte Lichtrauten über seine geschmeidigen Muskeln tanzten. Eco musterte ihn mit einer Mischung aus Neugier und Neid. Von unter einer der Schiffermützen ertönte ein vulgärer, aber anerkennender Pfiff. Apollonius zog eine Braue hoch, beachtete das Geräusch jedoch nicht weiter; er mußte sich schon lange daran gewöhnt haben, daß seine Erscheinung Aufsehen erregte.
Er machte die Schultern breit, holte ein paarmal tief Luft und sprang dann so pfeilgerade zwischen zwei Booten ins Wasser, daß sich die Oberfläche kaum noch kräuselte, als er verschwunden war.
Ich spazierte auf dem Pier auf und ab, blickte in die Tiefe und erkannte ab und zu einen Widerschein seiner weißen Blöße, während er zwischen den moosigen Felsen und den Holzbalken umhertauchte. Im Wasser bewegte er sich mit derselben Anmut fort wie auf dem Land; er trat mit beiden Beinen gleichzeitig nach hinten und benutzte seine Arme wie Flossen.
Am Himmel zog eine Möwe ihre Bahn. In der Ferne stieg weiter Rauch von dem Scheiterhaufen auf. Noch immer blieb Apollonius unter Wasser. Schließlich sah ich sein Gesicht aus den trüben Tiefen zu mir aufblicken und größer und größer werden, bis er die Wasseroberfläche schließlich durchbrach.
Ich wollte ihn fragen, was er gesehen hatte, doch er hielt nur keuchend die Hand hoch. Er mußte atmen, nicht sprechen. Nach und nach ging sein Atem wieder ruhiger und regelmäßiger. Schließlich öffnete er den Mund - um zu sprechen, dachte ich, doch stattdessen atmete er noch einmal tief ein, beugte sich vornüber und tauchte wieder unter. Seine strampelnden Füße hinterließen Gischt aus kleinen Blasen an der Oberfläche.
Er tauchte geradewegs in die Tiefe, bis er in der Dunkelheit verschwunden war. Ich ging auf dem Pier auf und ab und spähte über den Rand. Die Möwe kreiste, der Rauch stieg auf, eine Wolke schob sich vor die Sonne. Inzwischen waren die dösenden Gestalten in den Booten aufgewacht und beobachteten uns neugierig.
»Er ist aber schon ziemlich lange da unten«, sagte schließlich einer von ihnen.
»Sehr lange«, sagte ein anderer, »selbst für einen Jungen mit einem so kräftigen Brustkorb.«
»Ach, das ist noch gar nichts«, bemerkte ein dritter. »Mein Bruder taucht nach Perlen, der kann zweimal so lange unter Wasser bleiben wie der Junge jetzt.«
»Trotzdem...«
Ich spähte zwischen die Boote, um zu sehen, ob er an einem versteckten Ort aufgetaucht war, und fragte mich, ob er sich vielleicht den Kopf gestoßen hatte. Mit all den am Pier festgemachten Booten war es ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt gewesen, die Erledigung dieser Aufgabe zu verlangen. Apollonius hatte sich noch über den dunklen Schatten am Grund beschwert; selbst Delphine brauchen Licht, um sich unter Wasser zu orientieren. Egal, was der Bruder des Perlentauchers behaupten mochte, es schien kaum möglich, daß ein Mann so lange unter Wasser bleiben konnte, wie Apollonius jetzt verschwunden war.
Ich begann, unruhig zu werden. Eco konnte nicht schwimmen, genauso wenig wie der Junge Meto, der das selbst zugegeben hatte. Die Vorstellung, mich ins Wasser zu stürzen, ließ mich an die Torturen neulich nachts denken; ich schmeckte das Meerwasser in meinem Hals, spürte, wie es in meiner Nase brannte, und begann vor Panik zu zittern. Ich blickte zu dem verstreuten Chor der Schiffermützen und den im Schatten liegenden Gesichtern, die sich darunter verbargen.
»Ihr Männer!« rief ich schließlich. »Einer von euch ist bestimmt ein guter Schwimmer! Ich zahle
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