Die Pforten Des Hades
demjenigen fünf Sesterzen, der unter diesen Pier taucht und mir sagt, was mit dem Sklaven geschehen ist.«
Die verstreuten Mützen erwachten zum Leben. Füße wurden aus dem Wasser gezogen, Gesichter tauchten auf, Hände suchten Halt.
»Beeilung!« rief ich, in die abgründigen Tiefen blickend, während kalte Angst meine Kehle zuschnürte. »Beeilung! Springt gleich, wo ihr seid, ins Wasser! Zehn Sesterzen -«
Doch im selben Moment ließ mich eine bizarre Erscheinung, die am Ende des Piers aus dem Wasser tauchte, verstummen. Die Fährleute blieben wie versteinert auf ihren Plätzen sitzen und starrten auf die lange, glitzernde Klinge, die aus dem Wasser in die Luft ragte. Von Seegras bedeckt glänzte silbern und grün ein Schwert in der Sonne. Es folgte ein langer, muskulöser, weißer Arm, breite Schultern und schließlich das Antlitz Apollonius, nach Luft ringend, aber gleichzeitig triumphierend lächelnd.
ACHTZEHN
Apollonius hatte sich mit einem Delphin verglichen - und fürwahr, wie er so nackt auf dem Pier lag, einen Arm über das Gesicht geworfen, mit breitem, bebendem Brustkorb heftig nach Luft ringend, seine blasse Haut naß und glänzend, sah er aus wie ein junger Meeresgott, den man aus den Tiefen an Land gezerrt hatte. Die Planken um ihn herum waren dunkel vom Wasser und bildeten die Silhouette seines Körpers ab. Dampf stieg von seiner glatten Haut auf, und regenbogenfarbene Wasserperlen glänzten auf seinem straffen Bauch. Meto holte seine Untertunika, die Apollonius beiläufig über seine Blöße warf.
Neben ihm glänzte das Schwert in der Sonne. Ich kniete nieder und zupfte das Seegras von Klinge und Griff. Es konnte nicht lange im Wasser gelegen haben; ich sah keinerlei Spuren von Rost. Ich wußte wenig genug über derlei Schmiedearbeiten, doch nach der Verzierung auf dem Griff zu urteilen, schien es mir eine Waffe aus römischer Herstellung zu sein.
Apollonius richtete sich auf, verschränkte seine Beine und stützte sich auf seine Arme. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, und Wassertropfen spritzten durch die Luft. Ein paar von ihnen trafen Eco im Auge. Er wischte sich übers Gesicht und sah Apollonius mit einer eigenartigen, mürrischen Faszination an, bevor er den Blick abwandte. Sie waren ungefähr gleich alt; und ich konnte mir vorstellen, wie einschüchternd die Gegenwart eines anderen Jungen von solch strahlendem Aussehen, der seine Vollkommenheit ohne jede Verlegenheit zur Schau stellen konnte, auf Eco wirken mußte.
»Dies ist nicht das einzige?« fragte ich und nahm das Schwert zur Hand, um es genauer zu betrachten.
»Längst nicht. Da unten liegen ganze mit Lederriemen zusammengeschnürte Bündel davon. Ich habe versucht, eines der Bündel mit nach oben zu bringen, aber es war zu schwer. Die Riemen haben sich mit Wasser vollgesogen und ineinander verheddert; es ist unmöglich, sie zu entwirren; schließlich ist es mir gelungen, einen der Riemen durchzuschneiden, indem ich ihn gegen eine Klinge gescheuert habe.«
»Hast du nur die Schwerter entdeckt?«
Er schüttelte den Kopf. »Auch Speere, auf die gleiche Art gebündelt. Und Säcke voll mit irgendwas. Sie waren so fest zugebunden, daß ich nicht hineinsehen konnte, und sie waren zu schwer, um sie zu heben.«
»Ich frage mich, was in diesen Säcken sein könnte«, sagte ich, den Schimmer einer Ahnung spürend. »Wie bald kannst du wieder hinabtauchen?«
Apollonius zuckte die Schultern, eine Geste, die das Wasser, das sich in der Mulde seines Schlüsselbeins gesammelt hatte, wie Quecksilber über seine Brust perlen ließ. »Ich bin wieder zu Atem gekommen. Aber diesmal könnte ich ein Messer gebrauchen.«
Die neugierigen Fährleute hatten Abstand gehalten, sich jedoch so dicht um uns geschart, daß sie unser Gespräch mitgehört hatten. Einer von ihnen bot sein Messer an, mit einer kräftigen Klinge, mit der man auch Lederriemen durchschneiden konnte, und Apollonius tauchte erneut in die Tiefe.
Er blieb nicht lange unter Wasser. Diesmal tauchte er mit dem Gesicht zuerst auf, und als er sich auf den Steg hochzog, schien er nur das Messer in seiner Hand zu halten. Er bohrte es in das Holz, ließ sich von Meto seine Untertunika geben und eilte wortlos zum Bootshaus. Meto rannte ihm nach, und auch Eco und ich folgten. Apollonius linke Hand war, wie ich bemerkt hatte, zu einer festen Faust geballt.
Er ging um das Bootshaus und lehnte sich außer Sichtweite der Fährleute gegen die Wand. Ich trat auf ihn zu, den Kopf fragend
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