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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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Galopp durch das Lager hatte ich weder Schmerz noch Schwindel gespürt, doch sobald meine Füße den Boden berührten, wurden meine Knie weich, und meine Schläfen begannen wieder zu pochen. Ich taumelte und stützte mich auf mein Pferd. Alexandros, der bereits die ersten Stufen genommen hatte, drehte sich um und kam zurück. Ich faßte an meine Stirn, berührte den Verband, spürte einen feuchten, warmen Fleck und sah eine rote, klebrige Flüssigkeit meine Finger hinabrinnen. Ich hatte wieder angefangen zu bluten.
    Irgendwo hinter mir glaubte ich zwischen den dröhnenden Trommelschlägen in meinen Ohren einen Jungen »Vater! Vater!« rufen zu hören.
    Alexandros faßte meinen Arm. »Alles in Ordnung?«
    Wieder hörte ich eine unbekannte Stimme »Vater, Vater« rufen, lauter und näher diesmal. Ich drehte mich um und wähnte mich in einem Traum, als ich Eco auf mich zureiten und nach oben zeigen sah. »Da!« schrie er, das Hufgetrappel seines Pferdes übertönend. »Ein Mann! Ein Speer! Paß auf!«
    Ich blickte über meine Schulter nach oben, und Alexandros tat dasselbe. Den Bruchteil eines Augenblicks später stürzte er sich auf mich und riß mich zu Boden. Ich war überrascht, wie kräftig  er war, alarmiert über den stechenden Schmerz in meinem Kopf und mir nur vage dessen bewußt, was ich über uns wahrgenommen hatte - einen Mann mit einem Speer, der sich über den Rand der Arena beugte. Im nächsten Augenblick sauste der Speer surrend herab und bohrte sich nur Zentimeter neben meinem Pferd in die Erde. Hätte Alexandros mich nicht zur Seite gerissen, wäre der Speer am Nacken in meinen Körper eingedrungen und irgendwo unterhalb meines Nabels wieder ausgetreten.    
    Ich mußte mich übergeben, doch es dauerte nicht lange. — Die gelbliche Galle hinterließ einen bitteren Nachgeschmack und besudelte die Vorderseite meiner Tunika, doch hinterher fühlte ich mich ein wenig besser. Ungeduldig faßte Alexandros meinen Arm, Eco den anderen, und gemeinsam zogen sie mich auf die Beine.
    »Eco!« flüsterte ich. »Aber wie -«
    Er sah mich an, antwortete jedoch nicht. Seine Augen waren glasig und fiebrig. Hatte ich es mir nur eingebildet?
    Dann zerrten sie mich die Stufen hoch. Wir erreichten einen Absatz, erklommen weitere Stufen, erreichten einen höher gelegenen Absatz und stiegen noch mehr Stufen nach oben. Zuletzt traten wir auf einen dicken roten Teppich und ins von einem roten Baldachin gefilterte, helle Sonnenlicht. Ich sah Crassus und Gelina nebeneinandersitzen, flankiert von Sergius Orata und Metrobius. Ich hörte, wie ein Schwert aus einer Scheide gezogen wurde, als Mummius hinter Crassus hervortrat und brüllte: »Was in Jupiters Namen!«
    Gelina stöhnte, und Metrobius faßte ihren Arm. Orata zuckte zusammen, während Faustus Fabius, der hinter Gelinas Stuhl stand, die Zähne zusammenbiß und mit geblähten Nüstern auf uns herabstarrte. Er hob seinen rechten Arm, und die Reihe von Soldaten im hinteren Teil der Loge brachten ihre Speere in Stellung. Crassus wirkte gleichzeitig unangenehm überrascht und schicksalsergeben in die Unvermeidbarkeit unangenehmer Überraschungen. Er musterte mich finster und hob die Hand, um die allgemeine Ordnung zu wahren.
    Ich sah mich benommen um und versuchte, mich zu orientieren. Von dem Baldachin herabhängende Vorhänge schützten die Loge gegen neugierige Blicke, aber jenseits davon konnte ich das weite Rund der Arena erkennen, die von oben bis unten mit Zuschauern gefüllt war. Die Adeligen saßen auf den unteren Rängen, während das gemeine Volk sich auf den weiter oben gelegenen Plätzen drängelte. Ein weißes Band, das an einer Seite von Crassus Loge begann, die Arena einmal umrundete und an der anderen Seite der Loge endete, trennte die teuren von den billigen Plätzen.
    Direkt unterhalb der Loge standen unten im Ring zwischen Blutlachen zusammengedrängt die Sklaven. Einige waren in schmutzige Lumpen gehüllt, während andere, die bis zuletzt im Haus Dienst getan hatten, noch immer Tuniken aus sauberem weißen Leinen trugen. Es waren Männer und Frauen, Alte und Junge. Manche standen still wie eine Statue, während andere sich unablässig bald hierhin, bald dorthin wendeten und sich verwirrt und ängstlich umsahen. Jeder von ihnen hielt ein primitives Holzschwert in der Hand. Wie muß die Welt von ihrem Standpunkt aus ausgesehen haben? Blutgetränkter Sand zu ihren Füßen, eine hohe Mauer, die sie umgab, ein weites Rund geifernder, lachender,

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