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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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Dann machte der Weg eine scharfe Rechtsbiegung um einen großen Felsen. Dahinter hörten Baumbewuchs und Unterholz abrupt auf und gaben den Blick auf die gewaltige Fassade der Villa frei.
    Das Dach bestand aus Lehmziegeln, die in der Sonne feuerrot leuchteten. Die Wände waren safrangelb gestrichen. Das zentrale Gebäude war zwei Stockwerke hoch, flankiert von einem Nord- und einem Südflügel. Auf einem kiesbedeckten Vorplatz hielten wir an, und zwei Sklaven waren uns beim Absitzen behilflich und führten die Pferde in die nahe gelegenen Ställe. Eco klopfte den Staub aus seiner Tunika und sah sich mit großen Augen um, als Faustus Fabius uns zum Eingang führte. Beerdigungskränze aus Zypressen und Tannen schmückten die hohen Eichenportale.
    Fabius klopfte. Die Tür wurde einen Spalt geöffnet, und ein blitzendes Augenpaar spähte heraus, bevor die Tür von dem unsichtbaren Sklaven dahinter ganz aufgehalten wurde. Fabius hob die Hand, eine Geste, die uns gleichzeitig aufforderte, ihm zu folgen und leise zu sein. Meine Augen waren an das helle Sonnenlicht gewöhnt, so daß mir die Halle recht düster vorkam. Die Wachsmasken der Vorfahren in ihren Nischen nahm ich nur als vage Schatten zu beiden Seiten wahr, wie Seelen ohne Körper, die uns durch kleine Fenster anstarrten.
    Aus der düsteren Halle kamen wir ins Atrium, einem quadratischen Innenhof, der im Erdgeschoß von einem vierteiligen Portikus, im ersten Stock von einem schmalen Gang eingefaßt war. Kieswege schlängelten sich durch einen Garten mit niedrigem Bewuchs. In der Mitte befand sich ein kleiner Brunnen, in dem ein bronzener Faun seinen Kopf entzückt zurückwarf, während aus den Pfeifen seiner Flöte Wasser sprudelte, ein exquisit gearbeitetes Stück. Das Wesen wirkte lebensecht, jederzeit bereit, aufzuspringen und zu tanzen; und das Geräusch des sprudelnden Wassers klang fast wie ein zartes Lachen. Als wir näher kamen, flatterten zwei gelbe Vögel, die in dem winzigen Teich gebadet hatten, erschreckt auf, flogen einen Kreis um die ausgestreckten Hufe des Fauns, landeten nervös auf der Balustrade des oberen Stockwerks und erhoben sich dann ganz in die blauen Lüfte.
    Ich sah ihnen nach, bevor ich mich wieder dem Garten widmete. Erst jetzt bemerkte ich die große Totenbahre, die am an-deren Ende des Atriums aufgestellt war, und die darauf liegende Leiche.
    Fabius ging durch den Garten, blieb kurz am Becken zu Füßen des Fauns stehen, um sich die Finger zu benetzen und .m die Stirn zu legen. Eco und ich taten dasselbe und folgten ihm zu der Leiche. »Lucius Licinius«, sagte Fabius leise.
    Zu Lebzeiten mußte der Mann über große Reichtümer verfügt haben oder jemand mit einer beachtlichen Börse hatte sich um die Bestattungsvorkehrungen gekümmert. Selbst sehr wohlhabende Familien geben sich für gewöhnlich damit zufrieden, ihre Verstorbenen auf eine hölzerne Bahre mit möglicherweise auch Intarsien aus Elfenbein zu legen. Dieses anmutig geschnitzte Totenbett hingegen war komplett aus Elfenbein. Ich hatte von derlei Extravaganzen gehört, sie jedoch noch nie mit eigenen Augen gesehen. Das kostbare Material glänzte mit einer wächsernen Blässe, die beinahe so glatt und farblos war wie die Haut des Toten selbst.
    Auf der Bahre lagen golden bestickte, purpurne Decken und Gebinde aus Astern und Immergrün. Der Tote trug eine weiße Toga mit kunstvollen grünen und weißen Verzierungen. Seine Füße steckten in frisch geölten Sandalen und wiesen, wie es die Tradition vorschrieb, auf die Türe des Hauses.
    Eco rümpfte die Nase. Kurz darauf tat ich dasselbe. Trotz der Duftöle und Salben, mit denen die Leiche eingerieben worden war, ungeachtet auch der Schale mit Weihrauch, die auf einem flachen Kohlerost in der Nähe stand, lag ein durchdringender Verwesungsgeruch in der Luft. Eco wollte sich die Nase mit dem Saum seines Ärmels zuhalten, doch ich gab ihm einen Klaps auf die Finger und runzelte ob seiner Unhöflichkeit tadelnd die Stirn.
    »Heute ist der fünfte Tag«, sagte Fabius leise. Also bei Einhaltung der siebentägigen Trauerfrist noch zwei Tage bis zur Bestattung. Bis dahin würde die Leiche ziemlich penetrant riechen. Bei einer derartig demonstrativen Zurschaustellung von Reichtum hatte die Familie bestimmt auch die besten Einbalsamierer engagiert oder sie, was noch wahrscheinlicher war, aus dem größeren Puteoli kommen lassen, aber all ihre Künste hatten nicht gereicht. Die Art und Weise, wie der Verblichene aufgebahrt lag, hatte

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