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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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nicht nur der eigenen, sondern auch der ihrer Mitmenschen? Auf jedes noch so geringfügige Stichwort sind sie in der Lage, in allen Einzelheiten Leben nach Leben zu erzählen bis zurück in die Tage von König Numa und weiter.
    Fabius lächelte. »Es ist unwahrscheinlich, aber wenn das Thema in Mummius  Gegenwart zur Sprache kommt, sei vorsichtig, was du sagst; wenn es um den Ruf seines Vorfahren geht, ist er erstaunlich empfindlich. Vor etlichen Jahren also wurde der Verrückte Mummius vom Senat beauftragt, den Aufstand des Achäischen Bundes in Griechenland niederzuschlagen. Mummius hat den Griechen eine vernichtende Niederlage beigebracht, dann Korinth geplündert, dem Erdboden gleichgemacht und die Bewohner per Senatsdekret in die Sklaverei verkauft.«
    »Ein weiteres Kapitel in der ruhmreichen Geschichte unseres großen Reiches. Doch bestimmt ein Vorfahre, auf den jeder Römer stolz sein sollte.«
    »In der Tat«, antwortete Fabius gepreßt auf die Ironie in meiner Stimme.
    »Und diese Schlächterei hat ihm den Namen der >Verrückte Mummius< eingebracht?«
    »Oh, beim Hercules, nein! Es war weder seine Blutrünstigkeit noch seine Grausamkeit. Es war die indifferente Behandlung, die er den Kunstwerken angedeihen ließ, die er mit zurück nach Rom brachte. Unbezahlbare Statuen trafen in zahllosen Einzelteilen ein, filigran gravierte Urnen wurden zerkratzt und beschädigt, Juwelen von Schatullen gebrochen, kostbare Glasarbeiten zerschlagen. Man sagt, der Mann konnte einen Polyclitus nicht von einem Polydorus unterscheiden!«
    »Stell sich das einer vor!«
    »Nein, wirklich! Man erzählt sich, daß eine Juno von Polyclitus und eine Venus von Polydorus auf dem Transport beide ihren Kopf verloren hatten, und als der Verrückte Mummius sie wieder zusammensetzen ließ, befahl er den Arbeitern, den falschen Kopf auf die falsche Statue zu setzen. Der Irrtum war für jeden, der Augen im Kopf hatte, klar erkennbar. Einer der Korinther, empört über diese Blasphemie, klärte den Verrückten Mummius über seinen Fehler auf, worauf der General den alten Mann gründlich auspeitschen ließ, bevor er ihn als Minenarbeiter verkaufte. Dann befahl er seinen Leuten, die Statuen genauso zu lassen, wie sie waren, weil sie seiner Ansicht nach so besser aussahen.« Fabius schüttelte angewidert den Kopf; für einen Patrizier ist ein hundert Jahre alter Skandal noch genauso empörend wie am ersten Tag. »Der alte Mummius wurde als der Verrückte Mummius, der Barbar, bekannt, da sein Kunstverstand den eines Galliers oder Thrakers nicht überragte. Von dieser Peinlichkeit hat sich die Familie nie ganz erholt. Bedauerlicherweise, da unser Marcus Mummius seinen Vorfahren wegen seiner militärischen Fertigkeiten überaus schätzt, und das durchaus zu Recht.«
    »Und Crassus schätzt die Fertigkeiten von Marcus Mummius?«
    »Er ist, wie gesagt, seine rechte Hand.« Ich nickte. »Und wer bist du, Faustus Fabius?« In dem Versuch, seine katzenartige Unbestimmtheit zu durchdringen, sah ich ihm unverwandt in die Augen, aber er lohnte meine Bemühungen lediglich mit einer nichtssagenden Miene, die auf der einen Seite ein Lächeln, auf der anderen ein Stirnrunzeln anzudeuten schien. »Dann bin ich dann wohl die linke Hand von Crassus«, meinte er.
    Als wir den Kamm des Hügels erreicht hatten, wurde die Straße eben. Durch die Bäume zu unserer Rechten sah ich hin und wieder das Wasser der Bucht und am anderen Ufer die Ziegeldächer von Puteoli aufblitzen, die in der Sonne glänzten wie rote Perlen. Ich hatte schon seit geraumer Zeit links und rechts der Straße keine Häuser mehr gesehen; offenbar durchquerten wir ein einzelnes, größeres Anwesen. Wir kamen an Weinhängen und bestellten Feldern vorbei, aber ich sah keinen einzigen Sklaven bei der Arbeit. Ich machte eine Bemerkung über das Fehlen jeglichen Anzeichens von Leben. Weil ich annahm, daß Fabius mich wegen des Hufgetrappels nicht gehört hatte, wiederholte ich das Gesagte noch einmal lauter, aber er blickte nur stur geradeaus und schwieg.
    Schließlich kamen wir an einen Abzweig. Der Privatweg war nicht durch ein Tor versperrt, sondern lediglich durch zwei rote Säulen markiert, auf denen jeweils der Bronzekopfeines Bullen mit einem Nasenring thronte.
    Auf beiden Seiten erstreckte sich unkultiviertes und bewaldetes Land. Der Weg wand sich leicht abschüssig zur Küste hinab. Durch die Bäume konnte ich das blaue Meer, bunte Segel und in der Ferne wieder die Dächer von Puteoli sehen.

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