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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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die Zukunft weissagte. Je ausgefallener seine Vision, desto begeisterter sein Publikum. Er erklärte Antigenes und seinen Gästen zum Beispiel, daß ihm eine syrische Göttin erschienen sei und versprochen habe, daß er, ein Sklave, der König von ganz Sizilien werden würde, den man jedoch nicht fürchten müsse, weil er sich gegenüber den Sklavenbesitzern als sehr tolerant erweisen würde. Das fanden Antigenes Gäste überaus amüsant, sie belohnten Eunus mit Köstlichkeiten von ihrer Tafel und erklärten ihm, daß er sich ihrer Freundlichkeit erinnern solle, wenn er erst König sei. Niemand ahnte die düstere Wendung, die der Lauf der Ereignisse schon bald nehmen sollte.
    Wenig später ergab es sich, daß die Sklaven des Antigenes beschlossen, gegen ihren Herrn aufzubegehren, doch zunächst konsultierten sie Eunus und fragten ihn, ob die Götter ihrer Unternehmung günstig gesonnen seien. Eunus erklärte ihnen, daß ihr Aufstand nur erfolgreich verlaufen könne, wenn sie brutal und ohne Zögern zuschlagen würden. In jener Nacht hielten die etwa vierhundert Sklaven auf freiem Feld eine Zeremonie ab, sprachen einen Eid und vollführten nach Eunus Anweisungen Rituale und Opferungen. Sie steigerten sich in eine mörderische Ekstase und fielen dann in der Stadt ein, wo sie jeden Freien töteten, Frauen vergewaltigten und selbst Säuglinge niedermetzelten. Antigenes wurde gefangengenommen, ausgezogen, geschlagen und enthauptet. Die Sklaven kleideten Eunus in kostbare Gewänder, setzten ihm eine Krone aus goldenen Blättern auf und riefen ihn zu ihrem König aus.
    Die Nachricht von ihrer Rebellion verbreitete sich wie ein Lauffeuer über die ganze Insel und ermutigte auch andere Sklaven zum Aufstand. Rivalisierende Gruppen revoltierender Sklaven erhoben sich, und man hoffte schon, daß sie einander bekämpfen würden. Statt dessen schlössen sie sich zusammen und nahmen noch alle möglichen Banditen und Gesetzlose in ihrer Armee auf. Die Kunde von ihrem Erfolg breitete sich über Sizilien hinaus aus und löste überall Unruhen aus - in Rom schlössen sich einhundertfünfzig Sklaven zu einer Verschwörung zusammen, in Athen erhoben sich mehr als tausend, und es gab vergleichbare Aufstande in ganz Italien und Griechenland, die jedoch rasch niedergeschlagen wurden. In Sizilien jedoch regierte das totale Chaos.
    Die Insel wurde überrannt von rebellierenden Sklaven. Und das gemeine Volk machte aus Haß gegen die Reichen gemeinsame Sache mit ihnen. Bei aller Verrücktheit wurde die Revolte doch mit einer gewissen Intelligenz durchgeführt, denn obwohl zahlreiche Landbesitzer gefoltert und ermordet wurden, verzichteten die Sklaven vorausschauend darauf, deren Ernte und Besitz ebenfalls zu vernichten, weil diese ihnen noch nützlich sein konnten.«
    »Und wie ist die Sache ausgegangen?« fragte Gelina.
    »Aus Rom wurden Armeen entsandt. Es gab eine Reihe von Schlachten überall in Sizilien, und eine Zeitlang hatte es den Anschein, als seien die Sklaven unbesiegbar, zumindest bis es dem römischen Statthalter Publius Rupilius gelang, sie in der Stadt Tauromenium festzusetzen und so lange zu belagern, bis die Aufstandischen durch eine unsagbare Hungersnot dezimiert und schließlich zum Kannibalismus getrieben wurden. Sie begannen, ihre Kinder zu essen, dann ihre Frauen und zuletzt sich gegenseitig.«
    »Oh! Und der Zauberer?« flüsterte Gelina.
    »Ihm gelang die Flucht aus Tauromenium, und er verbarg sich in einer Höhle, bis Rupilius ihn aufstöberte. Genau wie die Sklaven sich gegenseitig verspeist hatten, so entdeckte man den König der Sklaven halb von Würmern zerfressen -ja, genau die Würmer, die den großen Sulla in den letzten Jahren vor seinem tödlichen Schlaganfall hier am Golf gequält haben sollen, was beweist, daß diese alles verschlingenden Viecher genau wie niedere menschliche Wesen sich von jedem Führer nähren, egal ob hoch oder gering. Eunus wurde, schreiend und in sein eigenes Fleisch verkrallt, aus seiner Höhle geschleift und in Morgantina in ein Verlies gesperrt. Der Zauberer hatte auch weiterhin Visionen, die zunehmend schrecklicher wurden; am Ende redete er nur noch wirr. Schließlich haben ihn die Würmer verzehrt, und so fand der erste große Sklavenaufstand ein erbärmliches Ende.«
    Es entstand ein tiefes Schweigen. Die Gesichter von Gelinas Gasten blieben regungslos, nur Eco saß mit aufgerissenen Augen da, und Olympias schien Tränen in den Augen zu haben. Mummius rutschte auf seinem Diwan hin

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