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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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Hinrichtung der Sklaven. Im Grunde genommen nur ein Tag, wenn man darüber nachdenkt, denn was wollen wir am Beerdigungstag selbst schon groß ausrichten? Also, Eco, hast du bei Tisch irgendwelche Mörder gesehen?«
    Eco deutete mit den Händen das wallende Haar Olympias an. »Die Assistentin der Malerin? Das kann nicht dein Ernst sein.« Er lächelte und formte mit den Fingern einen Pfeil, der sein Herz durchbohrte.
    Ich lachte leise und streifte die dunkle Tunika über meine Schultern. »Dann wird heute Nacht zumindest einer von uns beiden angenehme Träume haben.«
    Ich löschte unsere Lampen und saß lange auf meinem Bett, die nackten Füße auf dem Teppich. Durchs Fenster betrachtete ich die kalten Sterne und den zunehmenden Mond. Neben dem Fenster stand eine kleine Truhe, in der ich die blutgetränkte Tunika versteckt und unsere Sachen verstaut hatte, einschließlich der Dolche, die wir aus Rom mitgebracht hatten. Über der Truhe hing ein Spiegel an der Wand. Ich stand auf und trat auf mein mondbeschienenes Abbild zu.
    Ich sah einen Mann von achtunddreißig Jahren, der eingedenk seiner zahlreichen Reisen und seines gefährlichen Berufes einen überraschend gesunden Eindruck machte, mit breiten Schultern, fülligem Leib und grauen Strähnen in den schwarzen Locken - kein junger Mann, aber auch noch nicht alt. Kein besonders schönes Gesicht, aber auch kein häßliches, mit einer flachen, leicht gebogenen Nase, einem breiten Kinn und dunkelbraunen Augen. Ein Mann, der in seinem Leben viel Glück gehabt hat, dachte ich, nicht von Fortuna umschmeichelt, aber auch nicht von ihr verachtet. Ein Mann mit einem Haus in Rom, regelmäßiger Arbeit, einer wunderschönen Frau, die das Bett mit ihm teilte und seinen Haushalt führte, und einem Sohn, der seinen Namen trug. Es war egal, daß das Haus ein reichlich baufälliges Exemplar war, das er von seinem Vater geerbt hatte. Es machte nichts, daß seine Arbeit oft anrüchig und gefährlich, die Frau nicht seine Ehefrau, sondern eine Sklavin und der Sohn nicht von seinem Blut und auch noch mit Stummheit geschlagen war - trotzdem konnte er sich alles in allem noch immer glücklich schätzen.
    Ich dachte an die Sklaven auf der Furie - den widerlichen Gestank ihrer Körper, den Ausdruck gehetzter Qual in ihren Blicken, die völlige Hoffnungslosigkeit ihrer Verzweiflung -, Besitz eines Mannes, der ihre Gesichter nie sehen, ihre Namen nie kennen würde, der nicht einmal wußte, ob sie noch lebten oder gestorben waren, bis ihm ein Sekretär eine schriftliche Anforderung für neue Sklaven vorlegte, um die toten zu ersetzen. Ich dachte an den Jungen, der mich an Eco erinnert hatte und den der Einpeitscher zum Opfer seiner Bestrafung und Demütigung erwählt hatte, und daran, wie er mich mit seinem traurigen Lächeln angesehen hatte, als ob es in meiner Macht stünde, ihm zu helfen; nur weil ich ein freier Mann war, war ich für ihn fast gottgleich.
    Ich war müde, doch der Schlaf wollte nicht kommen. Ich zog einen Stuhl heran und betrachtete sitzend mein eigenes Antlitz. Dabei dachte ich an den jungen Sklaven Apollonius, und Fetzen seines Liedes gingen mir im Kopf herum. Die Geschichte des Philosophen über den Sklaven-Zauberer Eunus fiel mir wieder ein, der Feuer gespuckt und seine Mitsklaven in eine wahnwitzige Revolte geführt hatte. Irgendwann muß ich angefangen haben zu träumen, denn ich glaubte, neben mir Eunus im Spiegel zu sehen. Er trug eine Feuerkrone, und kleine Flammen züngelten aus seinen Nasenlöchern und zwischen den Zähnen hervor. Dabei zischte er. Hinter meiner anderen Schulter tauchte das Gesicht von Lucius Licinius auf, ein Auge halb geschlossen und mit Blut verkrustet, eine Leiche, die vor sich hin murmelte, zu leise, um etwas zu verstehen. Er tippte mit dem Fuß auf den Boden, als verwende er einen Code. Ich schüttelte nur verwirrt den Kopf und bat ihn, lauter zu sprechen, doch statt dessen begann Blut aus seinem Mund zu sickern. Einiges tropfte über meine Schulter in meinen Schoß. Ich blickte nach unten und sah einen blutigen, zuckenden und zischenden Umhang. Er wand sich unter Tausenden von Würmern, denselben Würmern, die schon einen Diktator und einen Sklavenkönig zerfressen hatten. Ich wollte den Umhang wegwerfen, doch ich konnte mich nicht bewegen.
    Dann spürte ich eine schwere kräftige Hand auf meiner Schulter - nicht im Traum, sondern in Wirklichkeit. Erschreckt schlug ich die Augen auf. Im Spiegel sah ich das Gesicht eines aus einem Traum

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