Die Pforten Des Hades
als ich. In jeder anderen Nacht wäre ich wahrscheinlich noch auf den Beinen gewesen. Vielleicht hätte ich gesehen, was immer du zu wissen wünschst. Aber in jener Nacht war ich so müde von den vielen Botengängen des Tages...« Seine Stimme begann zu zittern. »Es tut mir leid.«
Ich legte meine Hand auf seine schmalen Schultern. »Du mußt dich nicht entschuldigen, Meto. Beantworte mir nur noch eine Frage. Bist du gestern Abend noch spät durchs Haus gelaufen?«
Er verzog nachdenklich das Gesicht. »Gestern war ein geschäftiger Tag wegen deiner und Mummius Ankunft mit der Furie und der zusätzlichen Arbeit für das Abendessen...«
»Und da hast du dich früh schlafen gelegt?«
»Ja.«
»Und du hast nichts Ungewöhnliches bemerkt, niemanden, der durch die Flure oder den Hügel hinab zum Bootshaus gewandert ist?«
Er zuckte hilflos die Schultern und biß sich auf die Lippe, traurig, mich enttäuschen zu müssen. Ich sah ihn ernst an und nickte. »Ist schon gut, ich dachte nur, daß du vielleicht etwas weißt, was ich nicht weiß. Aber bevor du gehst, möchte ich dir etwas zeigen.«
Ich führte ihn mit der Hand auf seiner Schulter zu der Statue des Zentauren. »Schau sie dir in aller Ruhe an. Faß sie an, wenn du willst.« Er sah mich unsicher an und streckte dann mit leuchtenden Augen seine zitternden Finger aus, bevor er sie abrupt zurückzog und sich auf die Lippe biß.
»Nein, nein, das ist schon in Ordnung«, sagte ich. »Ich werde nicht zulassen, daß dich irgendjemand dafür bestraft.«
Und ich werde nicht zulassen, daß Marcus Crassus dich vernichtet, dachte ich, ohne ein so vorschnelles Gelübde laut auszusprechen. Vielleicht hörte Fortuna höchstpersönlich zu und vernichtete mich, weil ich ein Versprechen gegeben hatte, dessen Einhaltung nicht einmal ein Gott garantieren konnte.
ZEHN
»Als junges Mädchen hätte ich mich nie zu Freskenmalereien herabgelassen. Man malte Enkaustik auf Leinwand oder Holz mit einer Staffelei, aber nie und nimmer Fresken an Wände, so hat es mir mein Mentor beigebracht. >Wandmaler sind bloße Handwerken, sagte er immer, >während ein Künstler an einer Staffelei, ah, ein Künstler an einer Staffelei wird behandelt wie die Hand Apollos persönlich! Staffeleimaler ernten sämtlichen Ruhm und alles Gold. Begründe dir einen Ruf an der Staffelei, und sie werden zu dir geströmt kommen wie die Tauben aufs Forum.< Meine Güte, das ist aber eine häßliche Beule an deiner Stirn.«
Iaia sah ganz anders aus als am Vorabend bei dem Essen. Der Schmuck und die elegante Robe waren verschwunden, stattdessen trug sie einen formlosen, bodenlangen, langärmeligen Umhang aus grobem Leinen, der von oben bis unten mit Farbklecksen beschmiert war. Ihre junge Assistentin war ähnlich gekleidet und im Tageslicht von noch bemerkenswerterer Schönheit. Zusammen sahen sie aus wie Priesterinnen eines seltsamen Frauenkultes, bei dem die Farbe nicht im Gesicht, sondern auf der Kleidung getragen wurde.
Durch ein Oberlicht fiel ein Lichtkegel in den kleinen runden Vorraum mit seinem Strudel aus Unterwasserschattierungen in Blau und Grün, in dem sich silberne Wölkchen von Fischen und eigenartige Seeungeheuer tummelten. Die Figuren waren erstaunlich fließend, ihre Schatten perfekt erfaßt, und die Darstellung des Wassers erzeugte die Illusion unergründlicher Tiefe. Eco und ich hätten den Raum nebeneinanderstehend mit ausgestreckten Armen leicht durchmessen können, doch die trüben Weiten schienen sich an manchen Stellen im Unendlichen zu verlieren. Ohne die Gerüste und Schmierlappen hätte die Szenerie beängstigend echt gewirkt, wie ein Alptraum vom Ertrinken.
»Heutzutage muß ich mich natürlich längst nicht mehr um Aufträge bemühen«, fuhr Iaia fort. »Ich habe in den guten alten Tagen ein Vermögen verdient. Wußtest du, daß ich zu meiner Glanzzeit besser bezahlt wurde als Sopolis? Jede reiche Matrone Roms wollte sich von der seltsamen jungen Dame aus Cyzicus porträtieren lassen. Jetzt male ich nur noch, was ich will und wann ich will. Dieses Projekt ist eine Gefälligkeitsarbeit für Gelina. Eines Tages kamen wir gerade erfrischt und entspannt aus den Bädern, als sie sich darüber beklagte, wie karg dieser Raum sei. Plötzlich hatte ich eine Vision von Fischen, überall Fische! Fliegende Fische über unseren Köpfen und Kraken, die sich zu unseren Füßen ringeln. Delphine, die durch das Seegras gleiten. Wie findest du es?«
»Erstaunlich«, sagte ich. Eco sah sich in dem
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