Die Pforten Des Hades
des Dorfes. Einer der Sklaven wird euch hereinlassen, wenn« - sie zögerte unsicher -, »wenn ich nicht da sein sollte. Wartet auf mich.«
»Und wo solltest du sonst sein?«
Sie ritt ohne Antwort davon und war bald zwischen den Felsblöcken verschwunden.
»Was für eine wichtige Angelegenheit ruft sie jeden Tag nach Cumae?« fragte ich mich murmelnd. »Und warum ist sie so erpicht darauf, uns loszuwerden? Nun, Eco, wie gefallt dir dieser Ort?«
Eco schlang die Arme um seinen Körper und zitterte, allerdings nicht vor Kalte.
»Ganz meine Meinung. Irgend etwas an diesem Ort läßt einem die Zähne klappern.« Ich betrachtete das Felsenlabyrinth um uns herum. Der Wind pfiff und seufzte durch die Löcher. »Wegen dieser zackigen Felsen kann man in keine Richtung mehr als ein paar Schritte weit sehen. Hier könnte sich eine ganze Armee verstecken, hinter jedem Felsen könnte ein Mörder lauern.«
Wir stiegen ab und führten die Pferde tiefer in die Höhlung des Hügels. An einer Stelle, wo offenbar schon viele andere vor uns ihr Pferd angebunden hatten, war ein schlichtes Band um einen verzweigten Ast gewunden worden. Ich war gerade dabei, die Tiere festzubinden, als ich spürte, wie Eco drängend an meinem Ärmel zupfte.
»Ja, was willst -«
Ich erstarrte. Wie aus dem Nichts kam eine Gestalt zwischen den Felsen hindurch und folgte dem Weg, den Olympias eingeschlagen hatte. Der fallende Nebel schluckte jedes Hufgetrappel ihres Pferdes, so daß die Gestalt lautlos vorüberglitt wie ein Phantom. Sie war nur eine Sekunde zu sehen gewesen, verhüllt in einen dunklen Umhang mit hochgeschlagener Kapuze. »Was hältst du davon?« flüsterte ich.
Eco lief zum höchsten Felsen in der Nähe und kletterte hinauf, wobei er mit seinen Fingern in den Löchern Halt fand. Er spähte hinab, und sein Gesicht leuchtete kurz auf, bevor es sich wieder verfinsterte. Er winkte mir zu, hielt jedoch gleichzeitig das Felslabyrinth im Auge. In seiner Zeichensprache kniff er sich zunächst ans Kinn und führte seine Finger dann an einer imaginären Bartspitze zusammen.
»Ein langer Bart?« sagte ich. Eco nickte. »Du meinst, der Reiter ist Dionysius, der Philosoph?« Er nickte erneut. »Das ist seltsam. Kannst du ihn noch sehen?« Eco runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. Dann leuchtete sein Gesicht wieder auf. Mit dem Finger beschrieb er einen Bogen wie den Flug eines Pfeiles, um auf etwas weiter Entferntes aufmerksam zu machen. Dann deutete er mit den Händen Olympias Locken an. »Du kannst das Mädchen sehen?« Er nickte und schüttelte dann den Kopf, als sie wieder aus seinem Blickfeld verschwand. »Und es macht den Eindruck, als ob der Philosoph ihr folgen würde?« Eco ließ seinen Blick ein letztes Mal schweifen, sah mich dann mit einem Ausdruck ernster Besorgnis an und nickte.
»Wie überaus seltsam. Wenn du sie nicht mehr sehen kannst, komm wieder herunter.« Eco blickte sich kurz um, stieß sich dann von dem Felsen ab und landete mit einem Grunzen. Er eilte zu den Pferden und wies auf die Zügel.
»Ihnen nachreiten? Sei nicht albern. Es besteht kein Grund zu der Annahme, daß Dionysius ihr Böses will.« Eco stützte seine Hand in die Hüfte und musterte mich, ganz wie Bethesda immer, als sei ich ein dummes Kind. »Also gut, ich gebe ja zu, daß es merkwürdig ist, daß er so kurz nach uns auf einem so entlegenen Pfad entlangkommt, es sei denn, er hat seine geheimen Gründe. Vielleicht ist er gar nicht Olympias gefolgt, sondern uns, und wir haben ihn abgehängt.«
Eco war nicht zufrieden. Er verschränkte die Arme und blinzelte besorgt. »Nein«, sagte ich entschieden. »Wir werden ihnen nicht folgen. Und du wirst ihnen auch nicht allein nachreiten. Olympias ist inzwischen wahrscheinlich längst in Cumae. Außerdem bezweifle ich, daß eine so kräftige und fähige Frau wie Olympias Schutz vor einem alten Graubart wie Dionysius braucht.«
Eco runzelte die Stirn und trat einen Stein aus dem Weg. Mit noch immer verschränkten Armen begann er, auf den hohen Felsen zuzugehen, als ob er ihn erneut erklettern wollte. Stattdessen erstarrte er und fuhr herum, genau wie ich.
Die Stimme klang eigenartig und irritierend - schroff und keuchend, kaum als die einer Frau erkennbar. Ihre Besitzerin trug einen blutroten Kapuzenumhang und hatte die Arme unter den breiten Ärmeln verschränkt, so daß kein Teil ihres Körpers sichtbar war. Aus dem tiefen Schatten, in dem ihr Gesicht lag, klang die Stimme wie das Stöhnen eines Phantoms
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