Die Pforten Des Hades
von ihm übrig war. Irgendwie ist er im Averner See gelandet. Wir haben seine Überreste am Ufer gefunden; sein Körper war fast völlig zersetzt. Glücklicherweise war noch genug von seinem Gesicht übrig, daß Olympias ihn erkannt hat.«
»Der Averner See! Ich weiß sicher, daß Mummius vor meiner Abreise nach Rom einen Trupp Männer beauftragt hat, die ganze Gegend um den See einschließlich des Ufers abzusuchen. Wie lange hat Zeno dort gelegen?«
»Mindestens mehrere Tage.«
»Dann müssen sie ihn übersehen haben. Wahrscheinlich hat einer von ihnen eine Nebelschwade in Form des Schädels seiner verstorbenen Frau gesehen, oder der See hat wie ein unter Koliken leidender Säugling gespuckt; und der ganze Trupp hat auf den Fersen kehrtgemacht und ist geflohen. Hinterher haben sie dann behauptet, daß sie nichts gefunden hätten. Ich werde sie zur Ordnung rufen müssen; man muß seine Autorität lange vor Ausbruch der eigentlichen Kampfhandlungen durchsetzen. Wieder eine von zahllosen Kleinigkeiten, um die ich mich morgen kümmern muß!«
Er drehte sich erschöpft zum Tisch, blätterte durch die Schriftstücke, bis er ein Wachstäfelchen und einen Griffel gefunden hatte. Er kritzelte eine Notiz darauf und warf das Täfelchen zurück auf den Tisch. »Wo befindet sich Zenos Leiche oder das, was davon übrig ist, jetzt?«
»Es war, wie gesagt, nur noch sehr wenig von ihm übrig. Leider ist mein Sohn Eco im Schlamm ausgerutscht, als er den Kopf am Ufer entlangtrug; der Kopf fiel in ein Becken mit kochendheißem Wasser...« Ich zuckte die Schultern. Ich war mir nicht sicher, warum ich log, außer daß ich die Aufmerksamkeit nicht auf Olympias lenken wollte.
»Du meinst, du hast nichts Konkretes vorzuweisen?« Crassus schien plötzlich am Ende seiner Geduld angekommen zu sein. »Diese ganze Geschichte ist absurd. Mit dir und Gelina und Mummius - wirklich, es war ein sehr langer Tag, Gordianus, und morgen wird ein noch viel längerer Tag werden. Ich denke, du kannst jetzt gehen.«
»Natürlich.« Ich stand auf, drehte mich um und hielt inne. »Nur noch eins, wenn ich deine Geduld noch einen Moment strapazieren darf, Marcus Crassus. Wie ich sehe, gehst du Lucius Licinius Unterlagen durch.«
»Ja?«
»Ich frage mich nur, ob du auf etwas... Ungewöhnliches gestoßen bist?«
»Was meinst du damit?«
»Ich bin mir nicht sicher. Manchmal können die Unterlagen eines Menschen Unerwartetes enthüllen. Möglicherweise befindet sich unter all diesen Dokumenten etwas, was von Belang für meine Ermittlungen ist.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, was. Die Wahrheit ist, daß Lucius die Bücher normalerweise makellos geführt hat, wie ich es von ihm verlangte. Als ich im Frühjahr hier war und sie überprüft habe, war jede Ausgabe belegt, und zwar nach der Art, wie ich es vorgeschrieben hatte. Jetzt ist das Ganze ein einziges Rätsel.«
»Inwiefern?«
»Ich finde Eintragungen über unerklärliche Ausgaben. Es gibt widersprüchliche Angaben darüber, wie häufig die Furie benutzt wurde und wofür. Noch seltsamer ist, daß einige Unterlagen komplett fehlen. Anfangs dachte ich, ich könnte das Ganze rekonstruieren und selbst einen Sinn in die Sache bringen, doch ich fürchte, das kann ich nicht. Wenn ich geahnt hätte, in welchem Zustand die Bücher sind, hätte ich meinen Oberbuchhalter aus Rom mitgebracht, doch ich bin völlig überrascht, daß Lucius Angelegenheiten sich in einem derartigen Chaos befanden.«
»Und kommt dir das irgendwie verdächtig vor?«
»Verdächtig? Inwiefern?« Er sah mich fragend an und schnaubte dann verächtlich. »Für dich weist am Ende doch alles wieder nur auf den Mord. Ja, ich finde es in der Tat verdächtig - ich vermute, der alte Sekretär Zeno hat ein derartiges Durcheinander angerichtet, daß Lucius beschlossen hat, ihn einmal ordentlich durchprügeln zu lassen, woraufhin der heißblütige junge Stallknecht Alexandros in typisch thrakischer Manier vor Wut explodiert ist und seinen Herrn getötet hat, weshalb die beiden Sklaven in die Nacht hinaus geflohen sind, nur um vom Schlund des Hades verschlungen zu werden. Da, ich habe dir deine Arbeit abgenommen, Gordianus. Jetzt kannst du zufrieden ins Bett gehen.«
An seinem Ton erkannte ich, daß Crassus darauf bestand, das letzte Wort zu haben. Ich war schon an der Tür und streckte die Hand aus, um sie zu öffnen, als ich erstarrte. Von dem Moment an, in dem ich das Zimmer betreten hatte, hatte irgend etwas nicht gestimmt; doch mein
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