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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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da! Stell sich das einer vor, und das mit Crassus im Haus!< Und wehe, du erzählst es ihm weiter«, fügte er rasch hinzu. »Oder wenn, erwähne zumindest nicht, daß du es von mir gehört hast.« Mit einem trockenen Lächeln trat er beiseite. Offenbar hatte er vergessen, daß er mir denselben Witz schon gestern erzählt hatte.
    Ich spähte erneut über die Brüstung des Balkons und fragte mich, ob ich bei den vielen Schiffen, die festgemacht hatten, je herausfinden würde, was von dem Steg aus ins Wasser geworfen worden war. Viele der Ruderer saßen noch in ihren Booten oder lungerten, während sie auf ihre Herren warteten, um das Bootshaus herum.
    Schließlich fand ich Eco, der in einer der Kammern verschwinden war, um nach seinem heißen Bad noch ein kaltes zu nehmen. Wir zogen die düsteren schwarzen Gewänder an, die am Morgen für uns bereitgelegt worden waren. Der Sklave Apollonius half uns mit den diversen Säumen und Falten. Seine Haltung war dem Anlaß angemessen ernst, doch seine Augen waren klar und von einem strahlenden Blau, nicht von Furcht umwölkt wie die gehetzten Blicke der anderen Sklaven. War es möglich, daß Mummius ihm verschwiegen hatte, was der nächste Tag bringen könnte? Wahrscheinlicher, dachte ich, hatte er ihm heimlich versichert, daß er verschont werden würde. Wußte Apollonius noch nicht, daß es Mummius nicht gelungen war, Crassus umzustimmen?
    Als er mich ankleidete, nutzte ich die Gelegenheit, ihn eingehender zu betrachten. Seine große Schönheit war auf den ersten Blick ersichtlich, und doch kam er mir, je länger ich ihn ansah, immer attraktiver vor. Die Perfektion seines Körpers und seiner Gesichtszüge wirkte fast unwirklich, so als wäre der berühmte Diskuswerfer von Myron zum Leben erweckt worden; das hereinfallende Licht tanzte über sein Gesicht, als er sich bewegte, und ließ eine Reihe von Miniaturen erstrahlen, jede atemberaubender als die vorherige. Während die meisten jungen Menschen seines Alters noch einen unbeholfenen Gang haben, bewegte er sich völlig ungekünstelt wie ein Athlet oder Tänzer. Seine feingliedrigen Hände verliehen jeder Bewegung eine selbstverständliche und bescheidene Anmut. Als er so nahe bei mir stand, konnte ich die Wärme seiner Hände spüren und die warme Süße seines Atems riechen.
    Es gibt rare Augenblicke, in denen man nicht die Oberfläche eines anderen Mannes oder einer anderen Frau spürt, sondern die ureigene Lebenskraft selbst, die ihr Wesen und damit die Welt beseelt. In leidenschaftlichen Momenten mit Bethesda habe ich sie kurz gesehen und zu einigen anderen Anlässen, bei Männern oder Frauen in Extremzuständen, in den Zuckungen des Orgasmus, dem Tode nahe oder von sonst einer Krise auf die Essenz ihrer selbst reduziert. Es ist beängstigend und ehrfurchtgebietend, einen Blick durch die Schleier des Körpers in die Seele eines Menschen zu tun. Die Lebenskraft in Apollonius war jedoch - wie auch immer - so stark, daß sie diese Schleier zerriß oder aber sie durch eine vollkommene physische Verkörperung ihrer selbst mit strahlendem Licht durchflutete. Es war schwer, ihn anzusehen und sich vorzustellen, daß etwas so Lebendiges und Perfektes jemals alt werden und sterben, geschweige denn in einem Augenblick ausgelöscht werden könnte, nur um die Karriere eines Politikers zu fordern.
    Mit einem Mal tat mir Marcus Mummius unendlich leid. An Bord der Furie auf der Reise von Rom hatte ich herzlos bemerkt, es mangele seiner Seele an Poesie. Das war voreilig und in Unkenntnis gesprochen. Denn Mummius haue das Antlitz von Eros berührt und war ihm verfallen; kein Wunder, daß er so verzweifelt versuchte, den Jungen vor einem sinnlosen Tod zu retten.
    Nach und nach verließen die Gäste das Haus und reihten sich an der Straße auf, die von der Villa wegführte. Diejenigen, die Gelina oder Lucius am nächsten gestanden hatten, versammelten sich im Hof, um sich der Prozession anzuschließen. Der Designator, ein kleiner runzliger Mann, den Crassus engagiert und aus Puteoli hatte herbringen lassen, machte sich daran, die Teilnehmer Aufstellung nehmen zu lassen. Da Eco und ich keinen Platz in der Prozession zugewiesen bekamen, gingen wir voraus, um uns ein sonniges Fleckchen an der von Bäumen und zahlreichen Trauergästen gesäumten Straße zu suchen.
    Schließlich hörten wir die ersten Klänge der Trauermusik. Sie wurde lauter, als die Prozession in Sichtweite kam. Die Musiker führten den Trauermarsch an, bliesen die Hörner und

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