Die Pforten des Todes - Historischer Kriminalroman
Fidelma.
»Allen Anzeichen nach ist er volltrunken eingeschlafen und an seinem Erbrochenen erstickt.«
Fedach Glas sah ihn beunruhigt an. »Kann man mich dafür verantwortlich machen?«
»Wieso sollte man dich zur Verantwortung ziehen?«, fragte ihn Fidelma.
»Ich bin der Wirtshausbesitzer. Ich habe ihm, wie er es gewünscht hat, die Krüge mit dem corma hingestellt. Und nun ist er hier bei mir gestorben. Gibt es da nicht ein Gesetz …?«
»Soweit ich die Gesetze hinsichtlich Trunkenheit kenne, trägst du in dem Fall hier keine Verantwortung. Nur wenn du dem Mann gegen seinen Willen etwas zu trinken aufgezwungen hättest, hättest du dich strafbar gemacht. Da das aber nicht der Fall war, kann keiner der Familienangehörigen Wiedergutmachung von dir verlangen.«
Fedach Glas war sichtlich erleichtert.
»Du kannst nun gern zu den anderen zurückgehen«, meinte Eadulf. »Fidelma und ich müssen uns hier noch kurz verständigen, um uns ein klares Bild zu verschaffen.« Eadulf hielt ihm die Tür auf und wartete, bis der Wirtshausbesitzer zum Hauptgebäude hinübergeeilt war.
»Stimmt was nicht?«, fragte Fidelma, nachdem er die Tür geschlossen hatte.
»Ich fürchte, Bruder Ailgesach wurde ermordet«, erwiderte er und wandte sich noch einmal dem Leichnam zu. »Es ist ungewöhnlich, dass die Augen geschlossen sind. Jedenfalls für jemanden, der sich übergeben musste und an seinem Erbrochenen erstickt ist.«
»Könnte doch sein, dass Biasta ihm die Augen geschlossen hat. So etwas ist mir immer wieder aufgefallen. Leute, die mit dem Tod konfrontiert sind, machen das fast automatisch.«
»Schön und gut, aber für einen, der volltrunken vom Schlaf überwältigt wurde, sich plötzlich übergeben musste und an seinem eigenen Erbrochenen erstickt ist, liegt er ziemlich entspannt da. Wenn du zu ersticken drohst, selbst wenn du im Suff nicht mehr handlungsfähig bist, würdest du doch die Hände nach oben strecken, nach Luft ringen und versuchen, Mund und Kehle frei zu bekommen. Bei ihm aber liegen die Hände ganz friedlich ausgestreckt am Körper.«
»Und was ist mit dem Erbrochenen vorn auf seinen Sachen? Spricht das nicht eindeutig dafür, dass er erstickt ist?«, äußerte Fidelma ihre Zweifel an seiner Beweisführung.
Eadulf hob den Kopf des Toten leicht an. Das Kissen darunter war mit Erbrochenem und Blut befleckt.
»Das hier sagt alles. Biasta kam doch wohl nicht herein, fand Bruder Ailgesach mit dem Gesicht nach unten liegend und an seinem Erbrochenen erstickt, drehte ihn um, packte das Kissen hübsch ordentlich unter den Kopf und bettete den Toten fürsorglich zur letzten Ruhe … requiescat in pace .« Eadulf neigte nicht oft zu Sarkasmus.
Fidelma musterte verstimmt den Leichnam des rundlichen Mönchs und schüttelte den Kopf. »Trotzdem, Eadulf,das rechtfertigt noch nicht die Schlussfolgerung, dass wir es mit einem Mord zu tun haben.«
»Vielleicht dürfte das hier als Beweis genügen. Wie du siehst, hat der Tote zwei Kissen unter dem Kopf. Das ist ungewöhnlich. Und zwar ein beschmutztes und ein weniger beschmutztes. Und nun schau mal zu dem Bett dort drüben. Da liegt gar kein Kissen.«
»Was willst du damit sagen?«
»Jemand ist hier hereingekommen und hat Bruder Ailgesach ein Kissen aufs Gesicht gedrückt. Als er nach Luft rang, erbrach er sich und gleichzeitig floss ihm Blut aus Nase und Mund. Er erstickte. Dann legte der Mörder den Körper ordentlich zurecht, drückte ihm die Arme an die Seite, schloss ihm die Augen und packte ihm das Kissen unter den Kopf. Er rechnete damit, dass jeder glauben würde, Bruder Ailgesach sei, auf dem Rücken liegend, an seinem Erbrochenen erstickt. Auf die Idee, dass auf dem Kissen unter dem Kopf Blut und Erbrochenes sein könnte, würde schon niemand kommen.«
»Für meine Begriffe war Bruder Ailgesach zu betrunken und zu keiner Gegenwehr imstande, als der Mörder ihm das Kissen unter dem Kopf wegzog und ihn damit erstickte.«
Eadulf schüttelte den Kopf. »Ich habe doch gesagt, auf dem anderen Bett fehlt ein Kissen.«
»Ja, und?«
»Das Kissen, mit dem ihn der Mörder erstickt hat, hat er sich vom Nachbarbett geholt. Nach vollbrachter Tat hat er gemerkt, dass das Kissen, auf dem sein Opfer lag, beschmutzt war. Er konnte also weder das eine noch das andere auf das Bett zurücklegen, das wäre aufgefallen. Demzufolge steckte er beide Kissen Bruder Ailgesach unter denKopf und hoffte, dass keiner Arges denken würde«, legte Eadulf einleuchtend dar.
Fidelma
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