Die Pforten des Todes - Historischer Kriminalroman
gönnen.«
Eadulf stimmte dem Vorschlag nur halbherzig zu. Er wäre am liebsten ohne Pause weitergeritten. An einer Bucht, die von Ginsterbüschen umstanden war, stiegen sie ab. Gormán führte die drei Pferde zur Tränke ans flache Ufer und band ihre Zügel um freigespülte Baumwurzeln. Eadulf nahm Brot und Käse aus seiner Satteltasche und teilte beides mit seinem Gefährten. Mit einem Tonbecher schöpften sie Wasser aus dem Fluss.
Während sie ihr bescheidenes Mahl einnahmen, bemerkte Gormán: »Aonbharr ist sonderbar unruhig.« Fidelmas Lieblingspferd Aonbharr, das sie am Zügel mitführten, verhielt sich die ganze Zeit ungebärdig. »Er spürt, irgendwas stimmt nicht mit seiner Herrin.«
Eadulf, der nun wirklich kein Reitersmann war und wenig von Pferden verstand, schaute zu dem Tier hinüber. Dessen Ohren waren zurückgelegt, die Augen rollten hin und her, so oft es den Kopf bewegte, die Nüstern zuckten, als wollte es Witterung aufnehmen.
»Pferde sind kluge Geschöpfe«, redete Gormán weiter und starrte nachdenklich über den Fluss.
»Dagegen lässt sich nichts sagen«, erwiderte Eadulf. »Ich wünschte, ich wäre klug genug, um die vertrackte Geschichte zu durchschauen. Im Augenblick kommt es mir vor, als stünde ich vor einer glatten Wand und versuchte mir vorzustellen, was auf der anderen Seite ist.«
»Wenn sie nach Durlus gerudert sind, was ziemlich sicher scheint, wird jemand dort mitbekommen haben, wie sie am Anlegeplatz festmachten«, meinte Gormán zuversichtlich.
»Wie groß ist dieses Durlus Éile?«
»Es ist ein lebhafter Marktflecken. Unsere erste Aufgabe wird es sein, jemand zu finden, der das Boot gesichtet hat.Über dem Ort erhebt sich die steinerne Festung der Prinzessin der Éile. Gleich unterhalb ist der Marktplatz, und dann kommen die Kais am Westufer des Suir.«
»Hast du eben gesagt – Prinzessin der Éile? Ich habe schon davon gehört, dass der Stamm der Éile von einer Frau angeführt wird. Sie soll aber noch nie nach Cashel gekommen sein.«
»Gelgéis heißt sie, der weithin leuchtende Schwan.«
»Was hält man von ihr, ist sie hochgeachtet?«
»Manche haben ihre Bedenken.«
»Wieso Bedenken?«, fragte Eadulf verwundert.
»Soweit mir bekannt ist, herrscht Gelgéis mit harter, aber gerechter Hand, und die Éile halten sich selbst für die wichtigsten Verteidiger des Zugangs nach Muman von Nordosten her«, äußerte sich der Krieger bedachtsam. »Doch einige Berater von König Colgú sind der Ansicht, man könne ihr nicht trauen. Sie sei bereit, Bündnisse mit jedem einzugehen, der ihren Zwecken dienlich ist. Und das ist meiner Meinung nach ganz natürlich.«
»Natürlich?« Eadulf runzelte die Stirn. »Wieso ist das natürlich? Ist mit Durlus etwas nicht geheuer?«
»Mit dem Ort als solchem nicht, aber er liegt an der Grenze zu Osraige.«
Eadulf versuchte sich zu erinnern, was Fidelma ihm von Osraige erzählt hatte, dem »Land des Hirschvolks«, das im Grenzgebiet zwischen Muman und Laigin siedelte.
Gormán zuckte die Achseln. »Es ist nun mal so, das Gedächtnis meiner Leute reicht weit zurück. Viele Jahr lang waren die Éile verlässliche Bündnispartner von Cashel. Éile liegt an der Westgrenze von Osraige, und dessen Krieger überwachen die leicht zu überschreitenden Bergpässe zwischen Laigin und Muman. Vorzeiten haben die Osraigedarum gekämpft, sich ein unabhängiges und machtvolles Königreich zu errichten. Erst vor zweihundert Jahren haben sie die Oberhoheit von Cashel anerkannt. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, sie würden jede sich bietende Gelegenheit ergreifen, sich davon freizumachen. Jenseits von Osraige befindet sich das Königreich Laigin, und Osraige hat sich oft an die Seite von Laigin gestellt. Es ist noch keine hundert Jahre her, da wurden wir von den Heerscharen von Laigin angegriffen, und die Krieger der Osraige haben sie unterstützt und waren dabei, als König Fergus Scannel von Cashel getötet wurde. Sowohl Laigin wie auch Osraige erlitten eine Niederlage und mussten Wiedergutmachung leisten. Jährlich entrichten die Clans der Osraige ihren Tribut an König Colgú, doch wirklich trauen kann man ihnen nicht.«
»Und wie verhalten sich die Éile?«
»Ihr kleines Gebiet liegt an der Westgrenze von Osraige, und sie können unter Druck gesetzt werden. Seit Jahrzehnten haben wir keinen Grund gehabt, an der Bündnistreue der Éile gegenüber Cashel zu zweifeln. Dennoch werden die Einwohner von Cashel den Verdacht nicht los, der Stamm
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