Die Pforten des Todes - Historischer Kriminalroman
die Frage, warum diese Kerle aus dem Nichts auftauchten, uns überfielen und ihn entführten.«
»Denk mal an den Mann und die Frau, die in der Nacht, als der Gesandte ermordet wurde, bei Bruder Ailgesach übernachteten«, erinnerte Eadulf sie. »Vielleicht war es das Paar, das sie suchten, und sie haben dich und Torna dafür gehalten.«
»Die sind doch aber nach Norden geritten. Und Torna hat gesagt, er hoffte, ein Boot zu finden, das ihn Richtung Süden brächte.«
»Können wir wirklich sicher sein, dass sie es nicht auf dich abgesehen hatten?«, gab Gormán zu bedenken. »Schließlich bist du die Schwester des Königs von Cashel.«
Fidelma schüttelte den Kopf. »Sie wussten nicht, wer ich bin. Sie hielten mich für Tornas Gefährtin.«
»Und wann haben sie ihren Fehler erkannt?«
»Ich glaube erst, als sie den Ort erreichten, an dem sie mich zurückgelassen haben.«
»Vorher sollten sie es nicht bemerkt haben?«
»Ich bin zwischendurch immer mal wieder zu mir gekommen. Einmal hörte ich den Mann mit dem verletzten Arm herumjammern, bei der starken Strömung würde er nicht mehr lange rudern können. Sie fingen an, sich zu streiten. Der Verletzte wollte mich über Bord werfen, damit das Boot leichter würde. Der Anführer wiederholte, sie würden dafür bezahlt, beide, Mann und Frau, herbeizuschaffen. Dann hörte ich etwas von einem neuen Ruderer, den man sich besorgen müsste, man könnte sich seiner ja später entledigen.«
»Was sie auch getan haben«, sagte Eadulf verbittert. »Sie haben Enán, den Sohn vom Fährmann, den sie mehr oder weniger gezwungen haben, als Ruderknecht zu ihnen ins Boot zu steigen, umgebracht. In dem Lagerschuppen, wo auch du lagst, haben wir gestern Abend seine Leiche mit durchschnittener Kehle gefunden. Was du da aber erzählst, birgt ein neues Rätsel. Woher wussten sie, dass Torna die Nacht am Flussufer verbrachte? Zwar schien der Mond, doch Wolken verbargen ihn oft genug; wie haben sie uns also im Dunkeln ausgemacht? Sie müssen gewusst haben, dass sie Torna dort finden.«
»Du gäbst einen guten Brehon ab, Eadulf«, meinte Fidelma. »Die Dunkelheit hat mir jedenfalls das Leben gerettet. Ich kam ein weiteres Mal zu mir, als sie mich in den Lagerraum trugen. Sie zogen mir das Sacktuch vom Kopf, leuchteten mir ins Gesicht, und ich hörte einen heftig fluchen. ›Das ist sie nicht! Außerdem seid ihr mit ihr viel zu grob umgegangen. Sie ist ja halbtot.‹ Der Mannhatte Gott sei Dank wenig Ahnung von Medizin. Ein anderer sagte: ›Wir schneiden ihr einfach die Kehle durch und verschwinden.‹« Fidelma hielt einen Moment inne, ehe sie weitersprach. »Der Mann, der wohl ihr Anführer war, sagte daraufhin: ›Nicht nötig. Die verreckt sowieso bald.‹ Sie zerrten mir wieder das Sacktuch übers Gesicht, und irgendwie hatten sie recht. Ich lag wirklich wie tot da, verlor auch wieder das Bewusstsein. Und dann kamt ihr.«
»Wir können Gott danken, dass sie ihren Fehler erst so spät bemerkt haben«, sagte Eadulf erleichtert. »Trotzdem, so viele ungeklärte Fragen.«
»Kommt Zeit, kommt Rat. Wir dürfen uns nicht beirren lassen.« Fidelma blieb völlig ruhig. »Wir werden auf alle Fragen eine Antwort finden. Warum sind sie hinter Torna her? Wer ist er, und wer ist die Frau, für die sie mich hielten? War es das Paar, das bei Bruder Ailgesach übernachtete, das sie suchten? Weshalb entführt man ausgerechnet einen harmlosen, umherziehenden Barden? Wohin haben sie ihn verschleppt?«
»Der Leprakranke, der die Entführer am Lagerhaus beobachtet hat, sagte, ein Mönch hätte sie dort erwartet. Nachdem sie zwei Säcke – den mit dir und den mit Torna – hineingeschleppt hatten, wären die vier Entführer mit einem jungen Mann und dem Mönch wieder herausgekommen und ins Boot geklettert. Sie haben demnach Enán dort umgebracht und dich, die sie dem Tode nahe wähnten, einfach liegen lassen. Alle Mann sollen wieder flussabwärts gerudert sein.«
»Richtung Süden?«, fragte Fidelma.
»Vielleicht war der Mönch sogar Biasta«, gab Gormán zu bedenken, nachdem er ihre Frage bejaht hatte.
»Eine logische Schlussfolgerung, Gormán«, meinte Fidelma. »Aber sie bringt uns nicht viel weiter.«
»Du hast vorhin gesagt, die Eltern des Mädchens, mit dem Torna geflohen ist, hätten ihn abgelehnt. Bringt uns der Gedanke weiter? Könnte die Flucht der beiden eine Blutfehde nach sich gezogen haben?«
»Du glaubst, die Eltern des Mädchens haben diese Männer angeheuert, um Torna zu
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