Die Pforten des Todes - Historischer Kriminalroman
hat er diese Festung errichten lassen?«
Sie hörten ein leises Geräusch, das Mädchen erschrak.
»Nach Mitternacht erwarte ich euch hier. Ihr dürft niemanden merken lassen, dass sich in euch ein Verdacht regt. Jeder von euch muss zum Aufbruch bereit sein; wer zurückbleibt, wird unweigerlich hingerichtet. Ihr müsst die Festung weit hinter euch gelassen haben, ehe es hell wird.«
Beim feierlichen Klang einer Glocke erschien Bruder Sillán, um sie zur Abendmahlzeit zu führen. Fidelma dachte, sie könne hier nichts Absonderliches mehr überraschen, doch anstatt ins Refektorium einer Abtei, wurden sie in ein kleineres Gemach geleitet, das wohl Cronáns persönlicherSpeiseraum war. Sie hatte erwartet, man würde sich bemühen, wenigstens den äußeren Anschein einer Abtei zu wahren. Ihre Gefährten hatte sie bereits von dem Gespräch mit Ségnat in Kenntnis gesetzt und ihnen eingeschärft, sich unauffällig zu verhalten, falls sie etwas überraschte oder misstrauisch stimmte.
In der Herdstelle glühte ein Torffeuer und verbreitete angenehme Wärme. Kerzen und Ölleuchten flackerten auf dem mit Holztellern und Bechern gedeckten Tisch. Cronán erwartete sie an der Tafel und bedeutete Fidelma, neben ihm Platz zu nehmen. Anfudán war nicht zugegen, was sie verwunderte. Eadulf saß ihr gegenüber, Gormán und Enda wies man Plätze am Ende der Tafel zu. Sillán setzte sich an Fidelmas andere Seite. Auf Cronáns Wink klingelte er mit einer Handglocke.
Ein dáilemain , ein Speisenvorleger, erschien aus einer Seitentür. Er und andere Zuträger brachten Servierplatten herein und begannen, die Speisen auszuteilen. Fidelma fiel auf, dass Cronán sich nicht auf das beschränkte, was Jagd und Fischfang boten. Ein Lammbraten wurde auf die Tafel gesetzt, und der dáilemain schnitt mit seinem Messer geschickt eine dicke Scheibe ab und servierte sie Fidelma. Jeden der Tischgenossen bediente er auf gleiche Weise. Die Speisenden hielten das Messer in der rechten Hand und führten mit der linken die Bissen zum Munde, wie es der Sitte entsprach. Ob alle Diener daer-fuidir waren, also einfach Sklaven in dieser seltsamen Festung, erschloss sich Fidelma nicht.
Nachdem sämtliche Bratenstücke verteilt waren, erschien der deochbhaire , der Mundschenk, und füllte die Becher mit Ale oder Cidre, Wasser wurde nicht angeboten. Fidelma wunderte sich im Stillen, dass die junge Geisel Ségnatmit dieser Aufgabe betraut war, verhielt sich aber so, als würde sie sie nicht erkennen.
»Euer Ale ist hervorragend«, begann sie ein Gespräch mit Cronán. »Ihr braut es gewiss selbst hier in der Brüdergemeinschaft?« Sie hielt es für das Beste, weiter so zu tun, als befände sie sich in einer Abtei.
»Wir sind bestrebt, uns selbst zu versorgen«, bestätigte der Abt. »Auf sich selbst gestellt zu sein ist der Wunsch aller Osraige.«
»Wirklich aller Osraige?«, fragte Fidelma leicht verwundert.
»Als Tuaim Snámha Stammesführer der Osraige wurde, das ist zehn Jahre her, begannen Jahre des Wohlstands und vielversprechender Aussichten für unser Volk. Wir sind nicht länger ein kleines verelendetes Gebiet zwischen zwei großen Königreichen. Eines Tages werde ich …« Er machte eine Pause und griff nach seinem Becher.
Die Tür flog auf, und der junge Verwalter Anfudán hastete herein und lief geradenwegs auf den Abt zu, ohne die Gäste im Raum zu beachten. Seine innere Erregung war allen ersichtlich.
»Dringende Kunde, mein Lord«, hechelte er und blieb neben Cronán stehen. Der Lord war keineswegs erfreut, wollte sich erheben und den jungen Mann beiseite nehmen, doch aus Anfudán sprudelte es heraus: »Unser Freund ist aus dem Süden zurück. Er bringt die Bestätigung, Bran Finn ist tot.«
Betroffenes Schweigen im Saal. Der Abt sank in seinem Lehnsessel zurück und machte seiner Verärgerung mit wütendem Schnauben Luft. Wenn Blicke töten könnten, hätte Anfudán schon zur Beerdigung aufgebahrt liegen müssen.
»Bran Finn, der Stammesführer der Déisi Muman?« Fidelma konnte ihre Überraschung nicht verbergen. »Der war doch noch so jung. Wie ist der denn ums Leben gekommen?«
Anfudán wurde sich plötzlich bewusst, dass Fidelma und auch die anderen anwesend waren, und er wurde feuerrot.
Eiskalt wies ihn Cronán an: »Bruder Anfudán, sage unserem Freund, dass ich ihn in meiner Amtsstube erwarte, sobald die Abendmahlzeit beendet ist.«
Der Verwalter eilte hinaus. Cronán wandte sich Fidelma zu und setzte ein entschuldigendes
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