Die Philosophen der Rundwelt
mal …«
Rincewind nickte sich selbst zu. Für die Zauberer begann jetzt die besondere Fuge, die als »Tumult« bekannt war. In jenem Zustand konnte niemand einen Satz beenden, weil immer jemand anders dazwischenredete. Auf diese Weise entschieden Zauberer über Dinge. Mit großer Wahrscheinlichkeit würden sie sich in diesem Fall darauf einigen, dass das Pferd logischerweise das eine Ende des Strands erreichte, während sich die Hufe am anderen befanden.
»Mein Herr Phokian meinte, dass wir es versuchen sollten, und die Hufe hinterließen nur Hufabdrücke«, sagte Niklias der Kreter, als die Diskussion nachließ, weil die Zauberer außer Atem gerieten. »Dann versuchten wir es damit, den Strand unterm Pferd zu bewegen …«
»Wie?«, fragte Ponder.
»Wir bauten einen langen, flachen Kahn, füllten ihn mit Sand und probierten ihn in der Lagune aus«, berichtete der Sklave. »Das Pferd ließen wir von einem Gerüst herab. Phokian glaubte, dass wir Fortschritte erzielten, als wir den Kahn mit der doppelten Geschwindigkeit des Pferds bewegten, aber das Tier versuchte immer, ebenso schnell zu werden wie der Kahn … Und dann kam es eines Nachts zu einem Unwetter, und der Kahn sank. Oh, es waren arbeitsreiche Monate. Wir verloren vier Pferde, und der Tischler Nosios bekam einen Tritt an den Kopf.« Das Lächeln verblasste. »Und dann … und dann …«
»Ja?«
»… geschah etwas Schreckliches.«
Die Zauberer beugten sich vor.
»Phokian entwarf den vierten Versuch. Ihr seht ihn dort drüben. Jetzt ist natürlich nicht mehr viel davon übrig. Die Leute stahlen das schwere Tuch der Endlosen Straße und auch einen großen Teil des Holzes.« Der Sklave seufzte. »Es war der Hades, alles zu bauen, und wir brauchten viele Monate, um es richtig hinzubekommen. Nun, wir gingen folgendermaßen vor. Wir verwendeten eine riesige Rolle aus weißem Tuch, das wir von einer großen Spindel auf eine andere abrollten. Glaubt mir, ihr Herren: Allein dies war schon schwer genug und erforderte die Arbeit von vierzig Sklaven. An der Stelle, wo sich das Pferd befinden sollte, spannten wir das Tuch über einem niedrigen Trog, gefüllt mit Holzkohlepulver – etwas Gewicht auf dem Tuch sollte es nach unten drücken, aufs schwarze Pulver …«
»Aha«, sagte der Dekan. »Ich glaube, ich verstehe …«
Niklias nickte. »Mein Herr ließ viele Änderungen vornehmen, bevor alles zu seiner Zufriedenheit funktionierte. Viele Zahnräder, Rollen und Kurbeln. Seltsame Mechanismen, die immer wieder neu konstruiert wurden. Jede Menge Profanität, die die Götter zweifellos bemerkten. Aber schließlich setzten wir das gut dressierte Pferd in die Schlinge, und der Reiter ließ es traben, während wir unten das Tuch abrollten. Und ja, nachher – o wie traurig war jener Tag! – maßen wir die Länge des Tuchs, auf dem der Trab stattgefunden hatte, und auch die Länge der Holzkohlestreifen, hervorgerufen von den Hufen des Pferds. Noch heute fällt es mir schwer, darauf hinzuweisen, aber die Länge von Streifen und Tuch standen in einem Verhältnis von vier zu fünf.«
»Also waren während eines Fünftels der Zeit alle Hufe in der Luft!«, sagte der Dekan. »Bravo! Ich liebe ein gutes Rätsel!«
» Wir haben uns nicht gefreut!«, rief der Sklave. »Mein Herr geriet ganz außer sich! Wir haben den Versuch mehrmals wiederholt, immer mit dem gleichen Ergebnis!«
»Ich verstehe nicht ganz, wo da das Problem liegt …«, begann Ridcully.
»Er raufte sich das Haar und schrie uns an, und die meisten Männer flohen! Und dann ging er und saß in den Wellen am Strand, und nach einer Weile wagte ich es, zu ihm zu gehen und ihn anzusprechen. Da drehte er den Kopf, sah mich aus trüben Augen an und sagte: ›Der große Antigonos hat sich geirrt. Ich habe es bewiesen! Nicht in einem geistreichen Dialog, sondern mit Hilfe großer mechanischer Apparate! Ich schäme mich! Er ist der größte aller Philosophen! Von ihm wissen wir, dass sich die Sonne um unsere Welt dreht, und er sagte uns auch, wie sich die Planeten bewegen! Und wenn er sich irrt, was ist dann noch wahr und richtig? Was habe ich getan? Ich habe den Reichtum meiner Familie vergeudet! Welchen Ruhm kann es jetzt für mich geben? Welchem verfluchten Projekt soll ich mich zuwenden? Soll ich die Farben einer Blume stehlen? Soll ich allen Leuten sagen, was ihr denkt, ist richtig oder nicht? Soll ich die Sterne wiegen? Soll ich die Tiefen des Meeres ausloten? Soll ich den Dichter bitten, die Breite
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