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Die Philosophen der Rundwelt

Die Philosophen der Rundwelt

Titel: Die Philosophen der Rundwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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die Wissenschaft voranzubringen, und Wissenschaft die Technik. Bei der Technik geht es darum, Dinge zum Funktionieren zu bringen, ohne dass man sie zu verstehen braucht; bei der Wissenschaft geht es um das Verständnis der Dinge, ohne dass man sie in Gang bringen muss.
    Wissenschaft ist eine allgemeine Methode zur Lösung von Problemen. Man betreibt nur Wissenschaft, wenn man weiß, dass die von einem verwendete Methode ein viel weiteres Anwendungsgebiet hat. Aus den Schriften des Archimedes, soweit sie erhalten sind, gewinnt man den Eindruck, dass seine Hauptmethode, Technik zu erfinden, mathematischer Art war. Er gab ein paar allgemeine Prinzipien vor, wie das Hebelgesetz, und dann dachte er ein wenig wie ein moderner Ingenieur nach, wie diese Prinzipien zu nutzen wären, doch seine Ableitung der Prinzipien beruhte eher auf Logik als auf Experimenten. Echte Wissenschaft entstand erst, als die Menschen erkannten, dass Theorie und Experiment Hand in Hand gehen und dass die Kombination eine wirksame Methode ist, haufenweise Probleme zu lösen und interessante neue zu finden.
    Newton war entschieden ein Wissenschaftler, jeder vernünftigen Bedeutung des Wortes nach. Doch nicht immer. Die mystische Textstelle, die wir mitsamt den alchimistischen Symbolen*  [* Die Symbole haben die folgende Bedeutung:= Sonne,= Mond,= Merkur.] und der obskuren Terminologie zitiert haben, schrieb er in den neunziger Jahren des 17. Jahrhunderts nach mehr als zwanzig Jahren alchimistischen Experimentierens. Er war damals ungefähr fünfzig. Seine besten Arbeiten – zur Mechanik, Optik, Gravitation sowie zur Differenzial- und Integralrechnung – hatte er im Alter von 23 bis 25 geleistet, obwohl manche erst Jahrzehnte später veröffentlicht wurden.
    Viele ältere Wissenschaftler machen durch, was zuweilen eine »Philopause« genannt wird. Sie hören auf, Wissenschaft zu betreiben, und wenden sich stattdessen einer nicht besonders guten Philosophie zu. Newton hat tatsächlich mit einiger Sorgfalt die Alchimie erforscht. Er erreichte nichts, weil da einfach nichts zu erreichen war. Wir werden aber den Eindruck nicht los, dass er, wenn es ein Ziel gegeben hätte, es auch erlangt hätte.
    Wir denken oft an Newton als den ersten der großen rationalen Denker, doch das ist nur ein Aspekt seines bemerkenswerten Geistes. Er überbrückte die Grenze zwischen altem Mystizismus und neuer Rationalität. Seine Schriften zur Alchimie sind von kabbalistischen Diagrammen übersät, oft aus frühen, mystischen Quellen kopiert. Er war, wie John Maynard Keyes 1942 sagte, »der letzte der Magier … das letzte Wunderkind, das die Magi aufrichtig und angemessen rühmen konnten.« Was die Zauberer verwirrt, ist ein Zufall des Zeitpunktes – nun ja, wir müssen gestehen, dass es in Wahrheit ein Fall von narrativem Imperativ ist. Nachdem die Zauberer auf Newton als den Inbegriff wissenschaftlichen Denkens gekommen sind, erwischen sie ihn in seiner Erscheinungsform nach der Philopause. HEX hat einen schlechten Tag, oder vielleicht versucht er ihnen etwas klar zu machen.
    Wenn Archimedes kein Wissenschaftler war und Newton nur manchmal, was ist dann Wissenschaft? Wissenschaftsphilosophen haben etwas herausgearbeitet und definiert, was man »die wissenschaftliche Methode« nennt, eine formale Zusammenfassung dessen, was die Pioniere der Wissenschaft oft intuitiv taten. Newton verfuhr in seinen frühen Arbeiten nach der wissenschaftlichen Methode, doch seine Alchimie war selbst nach den Maßstäben seiner Zeit, da die Chemie schon vorangeschritten war, schlechte Wissenschaft. Archimedes schien nicht nach der wissenschaftlichen Methode zu verfahren – vielleicht, weil er klug genug war, sie nicht zu brauchen.
    Die wissenschaftliche Methode, wie sie im Buche steht, verbindet zwei Arten von Aktivitäten. Eine ist das Experiment (oder die Beobachtung – man kann nicht mit dem Urknall experimentieren, aber hoffen, die von ihm hinterlassenen Spuren zu beobachten). Das liefert den Vergleich mit der Wirklichkeit, um zu vermeiden, dass Menschen etwas glauben, weil sie es gern glauben möchten oder weil eine Obrigkeit ihnen sagt, es sei wahr. Es hat jedoch keinen Zweck, einen Wirklichkeitstest durchzuführen, wenn er sowieso in jedem Fall funktionieren wird; es kommen dafür also nicht dieselben Beobachtungen in Frage, von denen man ausgegangen ist. Vielmehr braucht man eine Art Geschichte im Kopf.
    Diese Geschichte wird für gewöhnlich mit dem anspruchsvollen Namen

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