Die Philosophen der Rundwelt
zur Musikerkennung, und wir können sie benutzen, ehe wir sprechen können, ja sogar, ehe wir geboren sind. Warum?
Wir suchen nach dem Wesen der Musik – als wüssten wir, was das Wesen des Sex für den Nackten Affen war oder das Wesen des Gehorsams für Eichmann oder auch, was es bedeutet, das intelligenteste/extelligenteste Wesen auf der Rundwelt zu sein. Was wir möchten, ist eine Geschichte, die Kunst und Musik in eine Erklärung einbaut, wie wir hierher gelangt sind und warum wir das viele Geld für die Kunstfakultäten der Universitäten hinauswerfen. Warum ist Rincewind so darauf aus, unseren Vorfahren Kunst und Musik zu bringen?
Anfang des 20. Jahrhunderts war es weit verbreitet, die Musik »primitiver« Stämme zu kopieren. Beispiele sind Strawinskys »Le Sacre du Printemps« und Manuel de Fallas »Feuertanz«, wo der musikalische Stil den Eindruck primitiver Authentizität vermitteln soll. Bronislaw Malinowskis Erzählungen von den Trobriand-Insulanern mit ihrem erstaunlichen Fehlen der zivilisierten Unterdrückung des Sex, wie sie Freud in der Wiener Gesellschaft so publik gemacht hatte, ließen die Leute glauben, die Naturmenschen seien glücklicher und weniger verdorben und ihre Musik – für Flöten und Trommeln – vermittle ihren Zustand der Unschuld wirksamer als klassische Symphonien. Jazz, von vermeintlich »primitiven« schwarzen Musikern in New Orleans erfunden, schien Anklänge an das Natürliche, Animalische (und für manche Christen an das Böse) zu haben. Fast war es, als wäre Musik eine Sprache parallel zu den Worten, in verschiedenen Gesellschaften mit verschiedenen Schwerpunkten entwickelt und für die Natur der Menschen vielsagender als andere Aspekte ihrer Kultur.
So haben die Medien es durchgespielt, und wie bei Familie Feuerstein und der Steinzeitgesellschaft hat sich diese Sichtweise als Film über unsere Wahrnehmung gelegt, der sehr schwer zu überwinden ist. Margaret Mead, die von ihrer polynesischen Freundin auf eine Reise mitgenommen wurde und die sich daraus ergebende Geschichte in Kindheit und Jugend auf Samoa erzählte, hat ihre Musik und Tänze auf genau diese Weise romantisch verklärt. Wenn Hollywood die primitive-aber-spirituelle Natur von indianischen Kriegern, Kannibalenstämmen auf Borneo oder Eingeborenen von Hawaii zeigen will, greift es auf den Regentanz, die Hochzeitsmusik und die Hula-Mädchen zurück. Wenn wir in jene Weltgegenden reisen, führen die Einheimischen diese Tänze auf, weil sie ihnen das Geld der Touristen einbringen. Die Komplizität zwischen Dudelmusik, Hulatänzen, Opern und der Hintergrundmusik in Hollywoodfilmen hat unser Vermögen, das herauszufiltern, was »natürliche« Kunst oder Musik ausmacht, völlig verschüttet.
Aber das wollen wir ja sowieso nicht. »Natürlich« ist eine Illusion. Desmond Morris hat eine Menge Geld gemacht, indem er von Affen angefertigte Gemälde verkaufte. Den Affen gefiel die ganze Sache offensichtlich, Morris ebenfalls, und vermutlich auch den Leuten, die sie kauften oder in Kunstgalerien betrachteten. Auch existiert ein Elefant, der malt und seine Gemälde signiert. Sozusagen. In der modernen Malerei gibt es einen Bereich, dessen Philosophie sich auf diese Suche nach dem echt Primitiven zu beziehen scheint.
Eine Seite ist die billigste: Kinderzeichnungen. Sie zeigt deutlich, wie sich die Kultur – die Extelligenz – schrittweise auf die sprießende Intelligenz der Kinder auswirkt. Für unseren laienhaften Blick demonstrieren diese Bilder aber nur, welch enormen Nutzen manche Eltern aus minimalen Anstrengungen ihrer Kinder ziehen.
Ein anderer, intellektueller Aspekt sind Schritte hin zu scheinbar der wirklichen Welt entspringenden Beschränkungen, wie der Kubismus, oder Versuche, Stile zu entwickelt, die uns zur Neubewertung unserer Sichtweisen zwingen, wie Picassos Gesichter im Profil, aber mit beiden Augen auf einer Seite. Sehr verbreitet ist eine moderne Form, die Papier-Rechtecke von unterschiedlicher Textur anordnet, nach einer Minimalregel ein paar einzelne Tropfen hinsprüht oder auf einen Untergrund von kräftigen, verwirbelten Ölfarben Holzkohlestaub streut und ihn in Textur und Muster der ganzen Leinwand einkämmt. All das kann das Auge erfreuen. Warum? Wie unterscheidet es sich von Naturobjekten, von denen manche ebenfalls erhebliche Freude bereiten können?
Wir wollen jetzt einen riesigen Sprung machen und Mozart, Jazz, Papier-Textur-Bilder und Holzkohle-Öl-Gemälde in ein und denselben
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