Die Philosophen der Rundwelt
für eine Ratte am Stiel. Der Zustand der Wirtschaft ist also eine Liste von einer Million Zahlen. Der Phasenraum besteht aus allen möglichen Listen mit einer Million Zahlen, darunter viele, die wirtschaftlich völlig sinnlos sind, so die Listen, in denen ein Fahrrad 0,02 Taler oder die Ratte 999 999 999,95 Taler kostet. Die Aufgabe eines Ökonomen ist es, die Prinzipien herauszufinden, nach denen aus dem Raum aller möglichen Zahlenlisten die ausgewählt wird, die wirklich zu beobachten ist.
Das klassische Prinzip dieser Art ist das Gesetz von Angebot und Nachfrage, welches besagt, dass, wenn eine Ware knapp ist und man sie wirklich, wirklich haben will, der Preis steigt. Manchmal funktioniert es, oft aber auch nicht. Derlei Gesetze zu finden ist eine Art schwarze Kunst, und die Ergebnisse sind nicht völlig überzeugend, aber das zeigt nur, dass Ökonomie schwierig ist. Trotz der unbefriedigenden Ergebnisse denken die Ökonomen nach der Phasenraum-Methode.
Es folgt eine kleine Geschichte, die zeigt, wie weit die ökonomische Theorie von der Wirklichkeit entfernt ist. Die Grundlage der herkömmlichen Ökonomie ist der Gedanke eines rationalen Akteurs mit vollständiger Information, der den Nutzen maximiert. Gemäß diesen Annahmen wird sich beispielsweise ein Taxifahrer so verhalten, dass er für möglichst wenig Mühe möglichst viel Geld bekommt.
Nun hängt das Einkommen eines Taxifahrers von den Umständen ab. An guten Tagen, wenn viele Fahrgäste unterwegs sind, wird er gut verdienen, an schlechten Tagen nicht. Ein rationaler Taxifahrer wird daher an guten Tagen länger arbeiten und an schlechten früh aufgeben. Eine Studie über Taxifahrer in New York City, die Colin Camerer und andere durchgeführt haben, zeigt genau das Gegenteil. Die Taxifahrer scheinen sich ein tägliches Ziel zu setzen und mit der Arbeit aufzuhören, wenn sie es erreicht haben. Also arbeiten sie an guten Tagen kürzer und an schlechten länger. Sie könnten ihr Einkommen um 8 Prozent steigern, wenn sie einfach jeden Tag gleich lange arbeiten würden, sodass sie insgesamt auf die gleiche Arbeitszeit kommen. Wenn sie an guten Tagen länger und an schlechten kürzer arbeiten würden, könnten sie ihr Einkommen um 15 Prozent steigern. Aber sie haben keine hinreichend gute Intuition für den ökonomischen Phasenraum, um das zu erkennen. Sie zeigen den allgemein menschlichen Zug, zu viel Wert auf das zu legen, was sie heute haben, und zu wenig auf das, was sie morgen bekommen können.
Auch die Biologie ist von Phasenräumen erobert worden. Der erste davon, der allgemeine Verbreitung gefunden hat, war der DNS-Raum. Zu jedem lebenden Organismus gehört sein Genom, ein Strang von chemischen Molekülen, die DNS genannt werden. Das DNS-Molekül ist eine Doppelhelix, zwei Spiralen, die sich um eine gemeinsame Achse winden. Jede Spirale besteht aus einem Strang von »Basen« oder »Nukleotiden«, von denen es vier Arten gibt: Cytosin, Guanin, Adenin und Thymin, üblicherweise mit den Anfangsbuchstaben C, G, A, T abgekürzt. Die Sequenzen auf den beiden Strängen sind »komplementär«: Überall, wo auf einem Strang C erscheint, findet man auf dem anderen G; ebenso entsprechen sich A und T. Die DNS enthält also zwei Exemplare der Sequenz, eine sozusagen positiv, die andere negativ. Zusammenfassend kann man das Genom als eine einzige Sequenz dieser vier Buchstaben betrachten, etwas wie AATGGCCTCAG… und ziemlich lange so weiter. Das menschliche Genom beispielsweise hat ungefähr drei Milliarden Buchstaben.
Der Phasenraum für Genome, der DNS-Raum, besteht aus allen möglichen Sequenzen einer bestimmten Länge. Wenn wir an Menschen denken, enthält der in Frage kommende DNS-Raum alle möglichen Sequenzen von drei Milliarden Codebuchstaben C, G, A, T. Wie groß ist dieser Raum? Es ist dasselbe Problem wie mit den Wagen auf dem Parkplatz, mathematisch gesprochen, also lautet die Antwort 4 3 4 3 4 3 … 3 4 mit drei Milliarden Vieren. Also 4 3 000 000 000 . Diese Zahl ist viel größer als die siebzigstellige, die wir bei dem Parkplatzproblem erhalten haben. Sie ist auch viel größer als der B-Raum für Bücher von normalem Umfang. Sie hat nämlich ungefähr 1 800 000 000 Stellen. Wenn man sie mit 3000 Stellen pro Seite drucken würde, brauchte man ein Buch von 600 000 Seiten, um sie darin aufzunehmen.
Das Bild vom DNS-Raum ist sehr nützlich für Genetiker, die mögliche Veränderungen der DNS-Sequenz betrachten, wie etwa »Punktmutationen«, wo
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