Die Philosophen der Rundwelt
selbst zu Fall, wenn die Spezies hinreichend extelligent ist.
Der Besitz von Gehirnen eröffnet neue, nicht-genetische Wege, seinen Kindern Eigenschaften zu übermitteln. Man kann ihnen einen guten Start ins Leben geben, indem man vorzeichnet, wie ihre Gehirne auf die äußere Welt reagieren. Der allgemeine Begriff für diese Art einer nicht-genetischen Übertragung zwischen Generationen lautet Privileg . Es gibt zahlreiche Fälle von Privilegien im Tierreich. Wenn eine Amselmutter in ihrem Ei Eiweiß mitliefert, von dem sich die junge Amsel ernähren kann, so ist das ein Privileg. Wenn eine Kuh für ihr Kalb Milch gibt, so ist das erst recht ein Privileg. Wenn eine Tarantelwespe eine gelähmte, lebende Spinne liefert, in der ihre Larven leben können, so ist das ein Privileg.
Menschen haben das Privileg auf eine qualitativ neue Ebene geführt. Menschliche Eltern investieren eine erstaunliche Menge Zeit und Mühe in ihre Kinder und verbringen Jahrzehnte – in vieler Hinsicht ein ganzes Leben – damit, für sie zu sorgen. Zusammen mit großen Gehirnen, die mit jeder Generation langsam größer werden, führt das Privileg zu zwei neuen Tricks: Lernen und Lehren. Diese beiden Tricks nähren einander, und beide erfordern das beste Gehirn, das man bekommen kann.* [* Es bringt erheblichen Nutzen, anderen Arten Privileg zu stehlen, beispielsweise all die Nährstoffe in Pflanzensamen, Knollen und Zwiebeln.]
Gene sind am Aufbau von Gehirnen beteiligt, und Gene können vielleicht bei Einzelnen eine besonders gute Veranlagung zum Lernen oder Lehren bewirken. Doch an beiden Bildungsprozessen ist viel mehr als nur das Gen beteiligt: Sie finden in einer Kultur statt. Das Kind lernt nicht nur von seinen Eltern. Es lernt von den Großeltern, von den Geschwistern, von Onkeln und Tanten, von der ganzen Horde, dem ganzen Stamm. Es lernt, wie alle Eltern zu ihrem Missfallen entdecken, sowohl aus unerwünschten Quellen wie aus autorisierten. Lehren ist der Versuch, Ideen aus dem Erwachsenengehirn in das des Kindes zu übertragen; Lernen ist der Versuch des Kindes, diese Ideen in seinem Gehirn unterzubringen. Das System ist nicht vollkommen, es kommen zahlreiche verunstaltete Botschaften an, doch bei all diesen Fehlern ist der Prozess viel schneller als die genetische Evolution. Weil sich nämlich Gehirne, Netzwerke von Nervenzellen, viel schneller als Gene anpassen können.
So seltsam es scheinen mag, beschleunigen die Fehler wahrscheinlich den Prozess, denn sie sind eine Quelle für Kreativität und Neuerung. Ein zufälliges Missverständnis kann manchmal zu einer Verbesserung führen.* [* Auf der Scheibenwelt passiert das immerzu!] In dieser Beziehung ähnelt die kulturelle Evolution der genetischen: Nur weil die Kopiersysteme der DNS Fehler machen, können sich Organismen verändern.
Die Kultur entstand nicht in einem Vakuum, sie hatte viele Vorläufer. Ein entscheidender Schritt zur Entwicklung der Kultur war die Erfindung des Nests. Ehe es Nester gab, führte jedes Experiment eines Tierjungen entweder zum Erfolg oder zum raschen Tod. Im Schutz eines Nests jedoch können die jungen Tiere Dinge ausprobieren, Fehler machen und davon profitieren, beispielsweise indem sie lernen, dasselbe nicht noch mal zu tun. Außerhalb des Nests bekamen sie nie die Gelegenheit zu einem zweiten Versuch. Auf diese Art führten Nester zu einer anderen Entwicklung – der Rolle des Spiels bei der Erziehung eines jungen Tiers. Katzenmütter bringen ihren Kätzchen halb tote Mäuse, damit sie an ihnen das Jagen üben können. Raubvogelmütter tun dasselbe für ihren Nachwuchs. Eisbärenjunge rutschen Schneehänge hinab und sehen niedlich aus. Das Spiel macht Spaß, und es gefällt den Kindern; gleichzeitig rüstet es sie für ihre Rollen als Erwachsene aus.
Soziale Tiere – solche, die sich zu Gruppen zusammenfinden und als Gruppe handeln – sind ein fruchtbarer Nährboden für Privileg und für Erziehung. Und mit der richtigen Kommunikation können Gruppen von Tieren Dinge erreichen, mit denen kein Einzelnes zurecht käme. Ein gutes Beispiel sind Hunde, die die Fähigkeit entwickelt haben, in Rudeln zu jagen. Wenn derlei Tricks verwendet werden, ist es wichtig, ein Erkennungssignal zu haben, an dem das Rudel seine eigenen Mitglieder von Außenseitern unterscheidet, sonst könnte das Rudel die ganze Arbeit tun und ein Außenseiter die Nahrung stehlen. Jedes Hunderudel hat seinen eigenen Kennruf, ein spezielles Heulen, das nur die kennen, die
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