Die Philosophen der Rundwelt
dazu gehören. Je ausgefeilter das Gehirn, umso ausgefeilter kann die Kommunikation von Hirn zu Hirn sein und umso wirksamer funktioniert Erziehung.
Kommunikation trägt dazu bei, das Gruppenverhalten zu organisieren, und eröffnet Überlebenstechniken, die subtiler sind, als einander auf den Kopf zu hauen. Innerhalb der Gruppe erlangt die Kooperation große Bedeutung. Die Menschenaffen von heute arbeiten im Allgemeinen in kleinen Gruppen zusammen, und wahrscheinlich haben ihre Vorfahren das auch getan. Als sich die Menschen vom Stammbaum der Schimpansen abspalteten, wurde aus diesen Gruppen das, was wir heute Stämme nennen.
Die Konkurrenz zwischen Stämmen war intensiv, und selbst heute denken sich manche Urwaldstämme in Südamerika und Neuguinea nichts weiter dabei, jeden zu töten, dem sie begegnen und der zu einem anderen Stamm gehört. Das ist eine Umkehrung der Option des Auf-den-Kopf-Hauens, doch jetzt kooperiert eine Gruppe, um den Mitgliedern der anderen Gruppe auf den Kopf zu hauen. Oder, für gewöhnlich, jeweils immer nur einem. Vor weniger als einem Jahrhundert taten das die meisten solcher Stämme. (Eine der Geschichten, die wir uns unser ganzes Stammesdasein hindurch erzählt haben, ist, dass wir das Volk sind, die wahren Menschen – was besagt, dass alle anderen es nicht sind.)
Schimpansen wurden dabei beobachtet, wie sie andere Schimpansen töteten, und sie machen regelmäßig Jagd auf kleinere Affen, um sie zu verzehren. Das ist kein Kannibalismus. Die Nahrung gehört zu einer anderen biologischen Art. Die meisten Menschen essen frohgemut andere Säugetiere, sogar ziemlich intelligente wie Schweine.* [* Wir essen aber auch Schafe.]
So wie Hunderudel ein vereinbartes Erkennungssignal brauchen, um ihre Mitglieder zu identifizieren, muss jeder Stamm eine eigene Identität aufbauen. Der Besitz von Gehirnen macht es möglich, das vermittels komplizierter gemeinsamer Rituale zu tun.
Rituale sind keineswegs auf Menschen beschränkt: Viele Vogelarten beispielsweise haben spezielle Paarungstänze, und manche Männchen benutzen seltsame Gerätschaften, um die Aufmerksamkeit des Weibchens zu erregen – wie die dekorativen Sammlungen von Beeren und Kieselsteinen, die der männliche Laubenvogel zusammenträgt. Doch Menschen mit ihren hochentwickelten Gehirnen haben das Ritual zu einer Lebensweise gemacht. Jeder Stamm – und heutzutage jede Kultur – hat einen »Mach-einen-Menschen-Baukasten« entwickelt, um die nächste Generation so aufzuziehen, dass sie die kulturellen oder Stammesnormen übernimmt und an ihre eigenen Kinder weitergibt. Es funktioniert nicht immer, vor allem heute, da die Welt kleiner geworden ist und Kulturen über nicht-geographische Grenzen hinweg aufeinander prallen – und beispielsweise auch Teenager im Iran Zugang zum Internet finden –, aber es funktioniert immer noch überraschend gut. Unternehmen haben dieselbe Idee aufgegriffen und führen Veranstaltungen zum »Corporate Bonding« durch, der Festigung des Zusammenhalts ihrer Mitarbeiter. Das war es, was die Zauberer mit ihren Farbkugeln trieben. Studien haben gezeigt, dass Veranstaltungen dieser Art keinen Nutzen bringen, doch die Unternehmen vergeuden darauf immer noch jedes Jahr Milliarden. Der zweitwahrscheinlichste Grund ist, dass es einfach Spaß macht. Der wahrscheinlichste ist, dass alle sich über eine Gelegenheit freuen, Herrn Peters aus der Personalabteilung eine zu verpassen. Und ein wichtiger Grund ist, dass es so aussieht , als ob es funktionieren könnte; unsere Kultur verfügt über zahlreiche Geschichten, wo dergleichen funktioniert.
Ein wichtiger Teil des Menschenbaukastens ist die Geschichte. Wir erzählen unseren Kindern Geschichten, und aus diesen Geschichten lernen sie, was es heißt, ein Mitglied unseres Stammes oder unserer Kultur zu sein. Aus der Geschichte, wie Pu der Bär im Eingang von Kaninchens Haus stecken blieb, lernen sie, dass Gier zu Einschränkungen beim Essen führen kann. Von den drei kleinen Schweinchen (einer Zivilisations-, keiner Stammesgeschichte) lernen sie, dass man, wenn man seinen Feind beobachtet und wiederkehrende Verhaltensmuster findet, ihn überlisten kann. Wir benutzen Geschichten, um unsere Gehirne aufzubauen, und dann benutzen wir die Gehirne, um uns selbst und einander Geschichten zu erzählen.
Im Lauf der Zeit erwerben diese Stammesgeschichten ihren eigenen Status, und die Leute hören auf, sie in Frage zu stellen, denn es sind traditionelle Stammesgeschichten.
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