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Die Philosophen der Rundwelt

Die Philosophen der Rundwelt

Titel: Die Philosophen der Rundwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Savanne. Die Elefanten, die im Wald leben, sind scheu und schwer zu entdecken: Beispielsweise gibt es nur einen davon im Pariser Zoo. Biologen hatten angenommen, dass, weil sich Waldelefanten und Savannenelefanten am Waldrand kreuzen können, sie keine verschiedenen Arten seien. Immerhin ist die Standarddefinition der biologischen Art, wie sie der Evolutionsbiologe Ernst Mayer verfochten hat, dass ihre Mitglieder sich mit Erfolg paaren können. Also beharrten sie darauf, dass es entweder nur eine Art gebe oder dass der »afrikanische Elefant« eine spezielle Unterart habe, den Waldelefanten Loxodonta africana cyclotis . Andererseits hegen Zoologen, die das Glück hatten, Waldelefanten zu sehen, keinen Zweifel, dass sie sehr verschieden von den Savannenelefanten sind: Sie sind kleiner, haben geradere, längere Stoßzähne und runde Ohren statt spitze. Nicholas Georgiadis, ein Biologe am Mpala Research Centre in Kenia, hat gesagt: »Wenn Sie zum ersten Mal einen Waldelefanten sehen, denken Sie: ›He, was ist denn das?‹« Aber die Biologen wussten aus der Theorie, dass die Tiere zur selben Art gehören mussten , und die Beobachtungen wurden als nicht aussagekräftig ignoriert.
    Im August 2001 präsentierte jedoch eine Gruppe von vier Biologen – Georgiadis, Alfred Roca, Jill Pecon-Slattery und Stephen O’Brien – in der Zeitschrift Science »Genetische Beweise für zwei Elefantenarten in Afrika«. Ihre DNS-Analyse macht absolut deutlich, dass es vom afrikanischen Elefanten wirklich zwei unterschiedliche Formen gibt: die übliche robuste und eine gesonderte grazile Form. Zudem sind die grazilen afrikanischen Elefanten wirklich eine andere Spezies als die robusten. Die beiden Arten unterscheiden sich voneinander so sehr wie jede der beiden vom indischen Elefanten. Also haben wir jetzt den robusten afrikanischen Steppenelefanten Loxodonta africana und den grazilen afrikanischen Waldelefanten Loxodonta cyclotis .
    Was ist mit der Annahme, es könne nur eine Art geben, da sich die einen mit den anderen kreuzen können? Diese spezielle Definition einer biologischen Art wird gegenwärtig gerade niedergemacht, und dies zu Recht. Der Hauptgrund ist die zunehmende Erkenntnis, dass, selbst wenn Tiere sich paaren können , sie es vielleicht einfach nicht tun.
    Die Geschichte des dritten Elefanten ist nicht neu: Nur die Namen sind anders. Vor 1929 wussten die Zoologen, dass es nur eine Schimpansenart gibt; nach 1929, als die Bonobos in den unzugänglichen Sümpfen von Zaire als zweite Spezies erkannt worden waren* [* Siehe Die Gelehrten der Scheibenwelt , Kapitel 38., wurde vielen Zoos klar, dass sie seit Jahren zwei verschiedene Schimpansenarten besaßen, ohne es zu wissen. Genau dieselbe Geschichte wird jetzt mit Elefanten durchgespielt.
    Wie wir erwähnten, interessiert sich die Scheibenwelt neuerdings wieder für ihren fünften Elefanten, eine Geschichte, die – wer hätte es gedacht – in Der fünfte Elefant erzählt wird. Der Legende zufolge gab es ursprünglich fünf Elefanten, die auf Groß-A’Tuin standen und die Scheibe trugen, aber einer rutschte ab, fiel von der Schildkröte und schlug in einer abgelegenen Gegend der Scheibenwelt auf:
    Es heißt , dass der fünfte Elefant vor langer Zeit heulend und trompetend durch die Luft der jungen Welt raste und hart genug landete, um Kontinente zu zerreißen und hohe Berge entstehen zu lassen.
    Niemand beobachtete die Landung, woraus sich eine interessante philosophische Frage ergibt: Wenn ein Millionen Tonnen schwerer zorniger Elefant vom Himmel fällt, ohne dass jemand da ist, der ihn hört – verursacht er dann, philosophisch gesehen, irgendwelche Geräusche?
    Und wenn ihn niemand sah – schlug er dann wirklich auf?
    Es gibt Indizien in Form reichhaltiger Lagerstätten von Fett und Gold (die großen Elefanten, die die Welt tragen, haben keine gewöhnlichen Knochen) tief unter der Erde in den Schmalzberg-Lagerstätten. Es gibt jedoch eine scheibenwelt-ständigere Theorie: Bei einer Katastrophe kamen Millionen von Mammuts, Bisons und Riesenspitzmäusen um und wurden dann zugeschüttet. Auf der Rundwelt gäbe es eine gute wissenschaftliche Probe, um die beiden Theorien abzuwägen: Haben die Fett-Lagerstätten die Form eines abgestürzten Elefanten? Aber auf der Scheibenwelt ist es zwecklos, auch nur nachzuschauen, denn der narrative Imperativ sorgt dafür, dass sie diese Form haben, selbst wenn sie aus Millionen von Mammuts, Bisons und Riesenspitzmäusen entstanden

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