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Die Philosophin

Die Philosophin

Titel: Die Philosophin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Blut, mit zersausten Haaren und Bewegungen, die unmittelbar aus dem Herzen zu kommen schienen.
    Wie gebannt verfolgte Sophie die Handlung. Als wär’s ein Stück von ihr, erlebte sie das Schicksal eines jungen Mannes, der sich unsterblich in ein Mädchen verliebte – um am Ende zu erkennen, dass dieses seine eigene Schwester war.
    Als sie den Namen des jungen Mannes hörte, schloss sie die Augen.
    Er hieß Dorval.
    »Darf ich Sie mit dem Autor bekannt machen?«, fragte Malesherbes.
    Sophie hatte gar nicht bemerkt, dass der Vorhang gefallenwar – so stark wirkte das Stück in ihr nach. Sie schaute auf, doch als sie das Gesicht des Mannes sah, den Malesherbes ihr vorstellte, wich das Blut aus ihren Wangen.

7
     
    »Wie geht es dir?«, fragte Sophie, als sie allein waren.
    »Fragen Sie
mich,
Madame, oder den Sultan Mongagul? Übrigens, mein Kompliment, die Perücke steht Ihnen ausgezeichnet.«
    »Bitte lass die Perücke«, erwiderte sie. »Ich frage
dich,
Denis.«
    Das Grinsen auf Diderots Gesicht verschwand.
    »Was soll ich sagen? Die Enzyklopädie kommt gut voran, obwohl unsere Feinde sich alle Mühe geben, uns das Leben schwer zu machen. Es heißt, die Gesetze würden bald drastisch verschärft.«
    Die zwei hatten gewartet, bis die übrigen Gäste wieder im Salon versammelt waren. Dann hatten sie sich auf die leere Bühne zurückgezogen, hinter den Vorhang, um ungestört miteinander reden zu können. Die Kerzen waren fast heruntergebrannt, wie unwirkliche Schemen wirkte die Kulisse im flackernden Schein: ein Klavier, ein paar Stühle, auf einem Tisch ein Tricktrackspiel, ein Stickrahmen und ein Kanapee. »Und … wie geht es dem Sultan?«, fragte Sophie nach einer Weile.
    Diderot zuckte die Schultern. Er wirkte so hilflos, dass sie schlucken musste.
    »Hast du darum das Stück geschrieben?«
    »Ja, Sophie.« Er nickte. »Ich wollte dich wieder sehen. Baron d’Holbach ist mein Freund. Er hat alles arrangiert.«
    »Das Leben ist kein Schauspiel, Denis.«
    »Ich kann mir kein anderes vorstellen.«
    Er versuchte zu lächeln, aber es gelang ihm nicht. Auch er war älter geworden, genauso wie sie. Sein Haar hatte sich gelichtet, und die Falten um Nase und Mund waren schärfer, als sie in Erinnerung hatte – sie stammten nicht mehr nur vom Lachen. Doch wie früher ruckte beim Sprechen sein kleiner Kopf auf den breiten Schultern wie ein Wetterhahn auf dem Kirchturm, und seine blauen Augen waren noch immer so hell und klar, dass sie darin zu ertrinken glaubte.
    Sophie spürte, wie die Mücken zu tanzen anfingen.
    »Bitte schau mich nicht so an«, sagte sie und hoffte gleichzeitig, dass er nicht aufhören würde, sie so anzuschauen.
    Er griff nach ihrer Hand.
    »Komm zurück zu mir, Mirzoza! Wir gehören zusammen.«
    Sie entzog ihm ihre Hand.
    »Nein, Denis. Es … es gibt keine Mirzoza mehr.«
    »Aber warum nicht? Ich liebe dich, und du liebst mich auch. Ich sehe es in deinen Augen.«
    Sophie schüttelte den Kopf.
    »Wer einmal im Paradies war, kann nicht wieder zurück auf die Erde. Wir würden nur zerstören, was früher war.«
    »Manchmal muss man etwas zerstören, damit etwas Neues entsteht.«
    »Auch in der Liebe? Glaubst du das wirklich?«
    Er nahm erneut ihre Hand und sank vor ihr auf die Knie.
    »Die Liebe ist, wo immer sie auftritt, stets die Gebieterin«,
sagte er,inbrünstig wie ein Gebet. »Das sind deine eigenen Worte. Hast du sie vergessen?«
    »Wie könnte ich das?«
    »Die Liebe ist für die Liebenden, was die Seele für den Körper ist …«
    »Hör auf, mich zu quälen!«
    »Wer fähig ist zu lieben, ist tugendhaft …«
    Sophie schwieg. Sie wusste, sie durfte ihm nicht ihre Hand überlassen, aber sie hatte nicht die Kraft, sie ihm ein zweites Mal zu entziehen. Alles in ihr drängte danach, ihn zu küssen.
    Er führte ihre Hand an seine Lippen
    »Mirzoza, Sophie«, stammelte er, während er ihre Finger mit seinen Küssen bedeckte. »Bitte, ich flehe dich an! Du bedeutest mir alles, mein ganzes Glück, mehr als mein Leben.«
    »Das hast du schon einmal gesagt.«
    »Ja, ich weiß, und ich weiß auch, wie sehr ich dich verletzt habe. Ich habe mein Wort gebrochen – es war der schlimmste Fehler meines Lebens. Aber glaub mir, ich bereue ihn mit jedem Atemzug.«
    »Du hast dich entschieden, Denis. Wir können die Dinge nicht rückgängig machen.«
    »Ich bin nicht mehr derselbe, ich habe mich verändert. Ich werde alles akzeptieren, was du verlangst. Wenn du mich strafen willst – schlag mich, ich habe es

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