Die Philosophin
verwiesen andere, die eheran körperliche Leiden als Ursache für die erstaunliche Wandlung glaubten, auf die Blutarmut der Marquise und behaupteten, dass ihr Leibarzt, Dr. Quesnay, ihr den Genuss von Eselsmilch verordnet habe, von der sie stündlich einen Becher zu sich nehme, um sich von den Folgen der Ausschweifung zu kurieren.
Die Pompadour schenkte all den Gerüchten kein Gehör. Was immer über sie geredet werden mochte – sie wusste, was sie tat. Sie war festen Willens, die Skandale um ihre Person ein für alle Mal zu beenden, und sann bereits über eine geeignete Zeremonie nach, die ihre Bekehrung öffentlich demonstrieren sollte.
Sie kam gerade von der Andacht zurück, als sie einen unerwarteten Besucher in ihrem Boudoir vorfand: Pater Radominsky. Der Priester war in die Betrachtung eines Bildes versunken, das auf einer Staffelei neben dem Fenster stand. Die Pompadour stutzte. Der Beichtvater der Königin? Was wollte er von ihr? Als sie sich räusperte, drehte er sich um.
»Wie ich höre, ist es Ihr Bestreben, wieder zur Kommunion zugelassen zu werden – bin ich recht unterrichtet?«, fragte er ohne weitere Vorreden, kaum dass sie einander begrüßt hatten.
»Ja,
mon père.
Es ist mein sehnlichster Wunsch, in den Schoß der Kirche zurückzukehren. Die Unglücksfälle, die mich sogar im größten Glück verfolgten, haben mir gezeigt, dass ich durch die Güter dieser Welt, von denen mir doch keines fehlt, niemals zum wahren Glück vordringen kann.«
»Ihre Einsicht ist ebenso erfreulich wie lobenswert, Madame. Es heißt außerdem, dass Sie sich mit der Absicht tragen, die Ehe mit Ihrem Mann zu erneuern.«
»Auch das ist richtig. Allerdings zögert Monsieur d’Etiolesnoch mit seiner Einwilligung. Er scheint sich allzu sehr an das Junggesellenleben gewöhnt zu haben und zeigt wenig Neigung, all die jungen hübschen Tänzerinnen und Grisetten, die er jahrelang in seinem Haus empfing, nun durch eine alte, hässlich gewordene Ehefrau zu ersetzen, die im Gewand der Büßerin bei ihm um Einlass bittet.«
Die Höflichkeit hätte nun ein Kompliment verlangt. Doch Radominsky erwiderte ungerührt: »Es gibt immer Mittel und Wege. Solange Ihre ehelichen Verhältnisse nicht geregelt sind, bleiben Ihnen die Sakramente verwehrt. Glauben Sie nicht, Sie könnten sich mit der Kirche aussöhnen und gleichzeitig Ihre Beziehung zum König aufrechterhalten.«
»Ich habe Maßnahmen getroffen, die es an Deutlichkeit nicht fehlen lassen. Meine Wohnung ist eine einzige Baustelle. Treppen wurden verlegt, Eingänge zugemauert. Der König kann nur noch durch das Gesellschaftszimmer zu mir gelangen.«
»Ich gebe zu, das ist mehr als ein Anfang.«
»Mein einziges Begehren ist es, Seiner Majestät nahe zu sein. In reiner, keuscher Zuneigung, ohne dem Verdacht einer Schwäche ausgesetzt zu sein, die ich längst nicht mehr hege. Ich habe mich in diesem Sinn bereits an den Heiligen Vater in Rom gewandt, um ihn um seinen Segen zu bitten.«
»Eben wegen dieses Schreibens bin ich hier. Ich biete Ihnen meine Hilfe an. Es ist meine Pflicht, wahre Reue zu fördern, wo immer ich ihr begegne, und bußfertigen Sündern meine Hand zu reichen. Wer weiß, vielleicht findet sich ja doch eine Regelung, die sowohl Ihren Interessen als auch denen der Kirche entgegenkommt.«
Die Pompadour horchte auf. Doch statt zu verraten, wie eine solche Regelung aussehen mochte, unterbrach Radominskyseine Rede und trat an die Staffelei, um das angefangene Bild darauf zu betrachten: ein Porträt der Pompadour, wie sie gerade von der Lektüre eines Buches aufschaute. Das Gemälde brachte ihre Schönheit so vorteilhaft zur Geltung, dass sie selbst beinahe neidisch darauf war. Man konnte sich gar nicht vorstellen, dass diese Schönheit einmal vergehen sollte.
»Schade nur«, sagte Radominsky, »dass Ihr Kunstsinn sich nicht in gleicher Weise entwickelt hat wie Ihre moralische Urteilskraft.«
Die Pompadour ahnte, worauf der Jesuit hinauswollte, doch sie war sich nicht sicher.
»Das Bild ist ein Werk von La Tour«, erwiderte sie darum nur. »Er gilt als der bedeutendste Maler Frankreichs.«
»Ich rede nicht von der Pinselführung, Madame, sondern von der Dekoration. Sie lassen sich mit einem Band der Enzyklopädie abbilden?« Er drehte sich um und schüttelte den Kopf.
»Die Bibel hätte Ihnen besser zu Gesicht gestanden.«
Sie bereute ihre Unvorsichtigkeit, das halb fertige Werk unverhüllt in ihrem Boudoir gelassen zu haben. Doch das war jetzt nicht mehr zu
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